Berlin-Schnipsel (2)

P1050658– Sag schon, wie findest du mich? Gefällt dir mein Kleid?

– Gut, ja. Äh… ich trag ja selbst meistens Hosen…

Ob Adorno Kostüme mochte? Sie nimmt sich vor, das zu recherchieren.

P1050669– Hier sind wir groß geworden. Hier wollen wir alt werden.

– Ja, stimmt: Gentrifizierung ist ein Problem. Aber das sieht hier schon arg runtergekommen aus, finde ich…

– Keine Schönheits-OPs!

Schönheits-OP? denkt sie. Wohl eher eine am offenen Herzen…

P1050687– Migration is not a crime.

Der Aussage kann sie ohne Wenn und Aber zustimmen. Hos geldiniz, herzlich willkommen, steht an dem Haus, das mit seinen Erd-, Wasser- und Himmelfarben dem Auge für einen Moment Ruhe bietet. Es wird der letzte sein bis zum Ende der langen Straße. Jeder Quadratmeter Fassade ist mit Graffiti bemalt und besprüht. Sie staunt: Was für ein Bedürfnis, sich mitzuteilen! Immerzu nimmt in dieser Stadt einer Stellung. Immerzu fordert einer, Stellung zu beziehen.

P1050637– Bühne ist jede Sekunde im Leben, Meinung geben!

Sie muss lachen. In einem Hinterhof schwebt, leuchtend blau-rot-gelb, eine Art Berlin-Essenz vor ihren Augen.

Sie schließt die Haustür hinter sich, schiebt die Kapuze über den Kopf und betritt den Tag.

P1050639Verrückt, denkt sie. Sogar Strategien, wie man am besten mit ihr umgeht, schreibt diese Stadt noch an die Wand.

24 Kommentare zu “Berlin-Schnipsel (2)

  1. du bist tatsächlich auch diese Strassen entlang gewandert, wie z.B. über die Schillingbrücke, wo Mensch aufwuchs und auch gerne alt werden möchte, diese selbstgebauten Bretterbuden sehen wirklich immer etwas fragwürdig aus und doch kann ich mich an Behaglichkeit im Innen erinnern, wenn auch nicht dort, aber dort in der Nähe, und dann das bunte Haus in der Falckensteinstr., das gibt es schon sooo lange und stimmt, irgendwie ist es wohltuend ruhig … mittlerweile. Du schreibst vieles von dem, was auch mir durch den Kopf ging, so viele Bilder und Sätze und Tags, ein Freund sagte mal, das wäre mit dem bedürfnis der Hunde gleichzusetzen, kurz pischern und dann wissen alle anderen, dass man da war …
    die Stadt als Bühne, da muss man sich eben dann und wann die Kapuze über den Kopf ziehen.

    herzliche Grüsse Ulli

    • Ist schon lustig, dass wir gerade beide mit Berlin-Ambivalenzen umgehen… du natürlich profunder, ich bin ja nur eine Reingeschmeckte. Umso spannender finde ich die Übereinstimmungen. Das Bild mit dem pinkelnden Hund gefällt mir. Und für den nächsten Berlin-Besuch pack‘ ich den Kapuzenpulli ein. 😉 Liebe Grüße!

  2. Ob man oder frau auch als Reingschmeckte/r mal sprayen darf? Das gefiele mir viel besser, als sich zu vermummen. Tolle Fotos! Sie transportieren das Lebensgefühl Berlins und Deine Einstellung dazu. 🙂
    Beste Grüße von Stefan

    • Auch eine interessante Idee, Stefan! Was würdest du denn auf dein Stück Wand sprayen?
      Freut mich sehr, dass die Bilder etwas von dem transportieren, was Berlin für dich ausmacht! 🙂

      • Mhm – fiese Frage! 😉
        Da ich kein begnadeter Maler bin, vermutlich einen Spruch – vielleicht ein Zitat, das zum Umfeld passt…
        Und ein bisschen Deko krieg ich dann schon hin 🙂

      • Aber mit der Frage rechnen musstest du schon oder? Und bevor du womöglich zurückfragst: Ich ließe mein Stück Wand natürlich weiß respektive graugelb – der Erholung für die Augen wegen. 😉

      • Wenn ich hätte zurückfragen wollen, dann hätte ich es gleich getan. Darüber nachgedacht habe ich 😉
        Ich hatte aber so ein unbestimmtes Gefühl, daß die Antwort nicht sehr ergiebig gewesen wäre. :- P

  3. Liebe Maren,
    mir hat besonders der Spruch hinter den so wunderbar beschirmten Kleidern/Mänteln( (?) gefallen: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen Kostüm“. Zwar trage ich keine Kostüme, werde es aber nun – metaphoisch gesehen – morgens noch genauer mit meiner Kleiderauswahl (ich trage auch keine Kleider, aber es ist hoffentlich schon klar, was ich meine :-)) halten. Danke Dir und Berlin für die wichtigen Lebensratschläge!
    Viele Grüße, Claudia

    • Berlin und ich freuen uns, wenn wir mit kleinen Alltagshilfen von Nutzen sein können, liebe Claudia! 😉 Und ja: Ich glaube, es waren Mäntel, für die Adorno da quasi in Kleider-Sippenhaft genommen wurde.

    • Das hört sich ja fast so an, als kennst du Berlin gut, Peggy, bzw. als kanntest du es mal gut. Worin besteht denn diese Fremdheit, von der du schreibst? Liebe Grüße nach Greenwich!

      • Ich habe in Berlin studiert und dort 11 Jahre lang gelebt bevor ich nach London ging. Ich hatte damals das Gefühl, die Stadt gut zu kennen. Ich habe mich wie eine Berlinerin gefühlt. Heute fühle ich mich wie eine Touristin. Berlin ist sehr weltoffen geworden, was ja positiv ist. Aber vieles sieht nach Jahrzehnten der Bautätigkeit auch ziemlich geschniegelt aus. Du scheinst aber auf Deinen Streifzügen auch einige charaktervollere Gegenden besucht zu haben.

      • Fast unvorstellbar, dass sich ein Ort in nur zehn Jahren so verändert, dass ihn eine Einheimische kaum noch wiedererkennt. Ich vermute, das geht nicht ohne eine ordentliche Portion Wehmut ab…

  4. Deine Idee einer fotographischen Zitatesammlung find ich großartig! Würde man ganz Berlin nach Wand-Sätzen abklappern, könnte man am Ende wohl ein buntscheckiges Langgedicht draus basteln – oder gar einen Roman (Hätte man doch bloß die Zeit…)

    • Da bringst du mich auf Gedanken…! Für so ein Projekt wäre Berlin sicher genau die richtige Stadt. Ich war bei meinem Besuch zunächst eher auf Bilder fokussiert gewesen, bis mir auffiel, wie viele Wortbotschaften sich an den Wänden finden. Einen schönen Abend noch!

  5. Adorno? Kostüme gemocht habend? Ich vermute er zog seine Grete ohne Kostüm vor (ähh pardong)
    Die Köpenickerstrasse scheint zur Besichtigungsmeile zu avancieren. Als ich in Berlin lebte, ist man da garnicht hingegangen, wenn man nicht unbedingt musste.
    Auch dieser, Ihre zweite Schnipselfortsetzung beeindruckt mich; sie gefällt mir und ich merke, dass Sie mich anrührt. Die ganze Stimmung, die sich aus dem Gewebe von Bildern und Worten entfaltet, ist anregend.
    Zumlebkuchenholenaufbrechende Grüsse aus dem Nebelbembelland

    • Lieber Herr Ärmel, Sie haben Ihren Adorno gelesen, nehme ich an…? Ihre Vermutung verleiht natürlich auch der Boutique-Werbung ganz neuen Sinn. 😉 Langsam glaube ich übrigens, ich bin die Einzige, die noch nie in Berlin gelebt hat… Umso mehr freue ich mich, wenn die Schnipsel auch zu Insidern sprechen. 🙂 P.S. Hier ist’s auch neblig.

      • Um wesen Willen auch immer, ich will da keinen falschen Eindruck erwecken. Von Adorno habe ich lediglich die Minima Moralia gelesen und einige Aufsätze, bin von daher kein Kenner seines Werkes. Aber ich habe mich mal in seiner Biografie umgetan, na ja ~~~~~
        Mittäglichhocherfreute Grüsse aus dem Bembelland.

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