Während der Himmel über Hamburg allmählich eingrisselt, beame ich mich bei einem Pott Tee der Marke „Elfentraum“ zurück an die Ostsee, auf die Halbinsel Holnis. Ich habe das Naturschutzgebiet im Westen der Flensburger Förde neulich von Glücksburg aus umwandert. Es war ein so strahlend blauer Tag, dass ich nicht einen einzigen Kilometer im Auto oder Bus zurücklegen mochte. Man kann einen Rundgang aber sehr gut auch am Leuchtturm in Schausende oder am Fährhaus an der Ostseite beginnen – man verpasst keines der Highlights und spart einige Kilometer Fußmarsch.
Gleich hinter dem Leuchtturm öffnet sich ein Lebensraum, den es so an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste nur noch selten gibt: das Kleine Noor. Noore sind verlandete Meeresbuchten, die durch Bildung von Strandwällen nach und nach von der Förde, die ja selbst nicht anderes ist als eine (größere) Meeresbucht, getrennt wurden. Bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts gab es zwischen dem Noor und der Ostsee noch eine offene Verbindung, die dann abgedeicht wurde. Das Noor wurde leergepumpt und es entstanden landwirtschaftliche Nutzflächen. 1995 kaufte die Stiftung Naturschutz den gesamten Bereich in der Absicht, den Deich an einigen Stellen zurückzubauen, um wieder einen natürlichen Einfluss des Meeres zu ermöglichen. Im Herbst 2002 setzte die Natur zum Überholmanöver an: Die Ostsee überflutete den Deich, es entstand eine mehrere Hektar große, von Brackwasser überstaute Fläche. Über den neuen Durchlass zur Ostsee führt nun eine Brücke.
Kaum hat man die hinter sich gelassen, fällt der Blick auf das Holnisser Kliff, das durch tektonische Verschiebungen während der letzten Eiszeit enstanden ist – und auf Berge von roten und gelben Ziegelsteinen am Strand. Wie auf der dänischen Seite gegenüber gab es auf der Halbinsel früher einige Ziegeleien. Mit dem Rückzug der Gletscher entstanden riesige Eisstauseen. Im ruhigen Wasser konnte sich das feine Sediment absetzen und mächtige Lehm- und Tonschichten bilden. Die Ziegelei Holnishof, von der die hier abgebildeten Ziegel stammen, war bis 1964 in Betrieb.
Auf der Steilküste lohnt es sich, einen Augenblick zu verharren. Bei guter Sicht kann man die gesamte Förde überblicken: das Noor auf der einen, die Salzwiese auf der anderen Seite, Dänemark natürlich, das von drei Seiten ganz nah ist, und weit im Osten vielleicht sogar das offene Meer…
Aber erst einmal führt der Weg weiter hinauf in den schattigen Norden. Eisblau ruht der Himmel über eisblauer See.
Nur ein paar Schritte sind es bis zu der Stelle, wo 1850 ein Flensburger Seemann seine letzte Ruhestätte fand. Da er an Cholera erkrankt war, wurde seinem Schiff auf dem Rückweg von Westindien die Einfuhr nach Flensburg verwehrt. Der Seemann starb an Bord und wurde von seinen Kameraden in aller Stille am Strand begraben. Ungefähr aus der selben Zeit datiert das (weniger fotogene) Soldatengrab auf der Ostseite von Holnis, das an eine See- und Landschlacht mit Dänemark und an den dänischen Soldaten erinnert, der damals auf seinem Schiff erschossen und ebenfalls am Strand begraben wurde.
Zwischen den beiden Gräbern lohnt ein „Boxenstopp“ im Fährhaus, das während meiner Wanderung leider noch Winterpause hatte. Von hier startete einst die Fähre, die Holnis mit dem dänischen Fördeufer verband. Schon im 13. Jahrhundert nutzten die Mönche vom Kloster Rude auf dem Gebiet des heutigen Glücksburg den kurzen Weg über das Wasser, um ihre Besitztümer auf Sundewitt und Broagerland zu erreichen. 1875 fand die letzte Personenüberfahrt statt. Ein Stück weiter treiben zwei Reiter beherzt ihre Pferde in die eiskalten Fluten, als hätten sie vor, ans gegenüberliegende Ufer zu reiten.
Liebe Maren, auch die Ostsee/Förde ist im Winter traumhaft schön. Den Fördesteig bis Glücksburg hin ich letzten September schon gelaufen, auf das Holnis-Stück hast Du mir jetzt richtig Lust gemacht. Liebe Grüße von der eisigen, aber schneefreien Nordsee. Ulrike
Ich rate zu, liebe Ulrike, ganz besonders außerhalb der Saison, wo es auf der Halbinsel schon mal voll werden kann. Im Winter war ich jetzt zum ersten Mal dort. Man muss zwar alles, was man unterwegs essen und trinken möchte, dabei haben, aber die Ruhe ist unvergleichlich. Herzliche Grüße aus dem romantisch verschneiten Hamburg!
Guter Tipp. Danke. Verschneites Hamburg – ich wollte mir das heute mal anschauen (hatte einen Termin im Hafen), aber man ließ mich nicht rein… Schnee ist nur in Hamburg schön, für eine Fahrt nach Hamburg leider nicht…
Ach, wie schade! Heute ist der Winter wirklich hübsch in Hamburg. Gar nicht grisselig, wie ich in meinem Beitrag schrieb, der gestern während des Schneetreibens entstand. Aber sicher kein Genuss zum Autofahren.
ja, wirklich, ein traum!
war noch nie an der ostsee, freue mich um so mehr, die schönen bilder zu sehen.
liebsten gruß,
pega
Danke schön, liebe Pega. Ja, für dich ist die Anreise wirklich weit, wie ich umgekehrt von meinen „Ausflügen“ in die Bergwelt in deiner Nachbarschaft nur zu gut weiß. 😉 Aber wer weiß: Vielleicht machst du ja mal Urlaub an der Ostsee. Lohnende Ecken gibt es genug. Liebe Grüße!
Eine wahre Ode an Blau, wenn ich mich in deine Bilder fallen lasse. Wunderschön.
Liebe Grüße
Christiane
Du lässt dich in die Bilder fallen? Das gefällt mir sehr, Christiane! Herzliche Grüße ans andere Elbufer!
Das ist wieder ein ganz besonderer Bericht.
Sorgsam aufbereitet und mit tollen blauen Fotos garniert.
Ich will meine treuen LeserInnen ja nicht langweilen… 😉 Vielen Dank, Gerhard, und schöne Grüße von der Waterkant!
Guter Vorsatz!
Gruß aus dem Fränkischen!
Wundervoll
in Wort und Bild!
LG vom Lu
Freut mich, dass dir der Ausflug gefallen hat. Viele Grüße aus dem sonnigen Norden!
Dankeschön *freu*
Liebe Maren, ich bin im Oktober das letzte Mal von Glücksburg nach Holnis gelaufen. Ich mag ja auch den kleinen Schlenker durch den Wald kurz vor Schausende – aber vielleicht ist das im Herbst auch schöner und sowieso bin ich etwas zwanghaft im „ganze Wege gehen“. Jedenfalls: herrliche Bilder! Liebe Grüße, Stefanie
Kann schon sein, dass es in dem kleinen Waldstück im Herbst noch schöner ist, liebe Stefanie. Ich mochte die Stimmung allerdings auch jetzt mit dem vielen Licht zwischen den kahlen Zweigen und all den Spiegelungen auf der Schwennau und den halbgefrorenen Pfützen. Und auf dem Rückweg bin ich von kurz vor Bockholm aus nochmal in einem großen Bogen durchs Friedeholz zurück nach Glücksburg gelaufen – Dolmenpfad und Elfenwiese inclusive. Du siehst, es gibt noch mehr Vertreterinnen der Spezies „ganze Wege gehen“. 😉
Ich weiß, du bist den Winter allmählich leid… dennoch: Sonnig-glitzernde Grüße an die Elbe!
Ich habe eben die sämtliche Mail-Benachrichtigungen der letzten Zeit im Spam gefunden – und befreit. Zum Glück fand ich auch Ungesehes von dir. so schön!
Danke, es fühlt sich gut an, aus dem Spam befreit zu sein. 😉