„Seltsam sind diese hellen Nächte. Es liegt über ihnen eine eigenartige Weihe. Es ist, als schlügen die Wellen leiser, als flögen die Vögel langsamer – die Nacht ist wie der Traum des Tages.“
Aus: Christiane Ritter „Eine Frau erlebt die Polarnacht“
Jeder Ort hat seinen ganz eigenen Sound. Besonders in diesen hellen Nächten. In Tasiilaq ist es der Gesang der Schlittenhunde, die in der schneefreien Zeit an Ketten gebunden ungeduldig darauf warten, dass das Leben seinen bestimmungsgemäßen Fortgang nimmt. In den hellen Nächten singen die Hunde, als gälte es, einen Wettbewerb zu gewinnen. Lang, hochgezogen, durchaus nicht unmelodisch. Das Rudel am kleinen Wasserlauf bei den Schiffswracks ebenso wie der einsame „Wolf“ auf der Anhöhe gegenüber. Aber wer weiß: Vielleicht singen sie auch, wenn es schneit.
Am Ikaasatsivaq-Fjord lässt mich der Schmelzwasserfluss, der wenige Meter neben meinem Zelt vorbeidonnert, lange nicht schlafen. Es ist weniger die Lautstärke als die Monotonie, die mich zu den vorsorglich mitgeführten Ohrstöpseln greifen lässt. Wie ist es nur möglich, dass Wasser wie die Lüftungsanlage einer Großküche klingt? Als ich, immer noch hellwach, den Zelteingang öffne, empfängt mich dieses blau-blaue Licht, das hier alles verklärt – und auch das überreizte Ohr kommt zur Ruhe.
Am Johan Petersens Fjord ist es lange still. Nur ein zartes Gluckern und Knacken ist gelegentlich zu vernehmen, während die Eisbrocken mit der Flut in die kleine Bucht treiben. Plötzlich ein gewaltiges Krachen, gefolgt von einem Knall wie ein Pistolenschuss: Irgendwo weiter draußen verkeilen sich Eisberge ineinander, setzen auf dem Grund auf, brechen auseinander. Immer sind sie in Bewegung, auch wenn man das mit dem bloßen Auge kaum erkennt. Schon gar nicht in diesen hellen Nächten, in denen selbst die Zeit stillzustehen scheint.
liebste maren,
deine bilder, impressionen und berichte begeistern mich immer wieder! das blaue licht ist fantastisch, ebenso finde ich den gesang der hunde, von dem du schreibst, sehr interessant – überhaupt, ja: jeder ort hat seinen sound. hier am meer höre ich früh morgens, wenn es grade so hell ist, vor allem die möwen …
vielliebe pegagrüße!
Der Sound der Möwen ist mir auch viel vertrauter als derjenige der Schlittenhunde, liebe Pega. In Grönland habe ich allerdings kaum welche gesehen oder gehört. Überhaupt wenig Vögel. Danke für deine Begeisterung, die mich befeuert, und genieß das Meer!
Wahnsinnige Fotos, danke!
Das Blau im zweiten Bild, das durchdringt ja alles! Wie lässt sich das physikalisch erklären?
Danke, Gerhard. Wie treffend du dieses nächtliche Blau beschreibst! Ja, es durchdringt wirklich alles. Man könnte sogar sagen, alles ist getränkt damit. Himmel und Wasser natürlich, aber ebenso auch Zelte und Steine – und sogar man selbst. Physikalisch erklären kann ich das nicht, übrigens auch nicht, was genau die eine Nacht so tiefblau macht und was die andere in dieses fahle Licht taucht, das die Konturen verschwimmen und die Schatten lang werden lässt.
Ich kenne da nur einen, der Bescheid wüsste, HJ Schlichting der in diesem Kreis auch unterwegs ist, ein Physiker von hohem Rang.
Vielleicht liest er ja mit…
Die Magie der nordischen Nächte um Mittsommer herum, ach Maren! Du zeigst sie so wunderbar und ich freue mich über das zuoberst stehende Zitat.
Gerade las ich noch einmal meine Mitschriften aus Lappland, auch hier und damals wurde es nicht dunkel, ich erinnere mich sehr gerne an diese Zeit, du lässt sie mit deinen Berichten und Bildern wieder aufleben, auch wenn ich noch nie Eisberge gesehen hab und noch nicht nördlicher als die Lofoten sind, gewesen bin.
Herzliche Grüße, Ulli
Liebe Ulli, ich freue mich sehr, dass meine Grönland-Berichte deine Lappland-Erinnerungen lebendig werden lassen – ganz besonders, weil ich weiß, wie gern du dort warst! Ich habe jetzt zum ersten Mal diese hellen Nächte erlebt. Sie haben mich bezaubert, aber auch angestrengt, weil sie die Zeit zum Runterschalten und Verarbeiten dramatisch verkürzt haben. Auch dir einen herzlichen Gruß!
wie hältst du es nur aus, mit all diesen Bildern in dir? Schon beim Ansehen scheinen sie mich zu entgrenzen.
Was für eine wunderbare Frage, liebe Gerda! Aber lass mich zuerst einmal sagen, wie sehr ich mich freue, dass es mir offenbar doch gelungen ist, etwas von der unglaublichen Weite Grönlands einzufangen, die ich im Grunde für nicht fotografierbar halte. Wenn ich versuchen soll, auf deine Frage zu antworten, so kann ich sagen: Ich (v)ertrage viel Weite, Alleinsein und sogar Einsamkeit. Auf dieser Reise war ich weit davon entfernt, an meine Grenzen zu geraten. Da waren ja immer noch die anderen, auch das Zelt als Ort des Rückzugs. Allerdings kann ich sagen, dass ich es vorziehe, wenn es nachts dunkel wird.
Ach …. Eigentlich bin ich kein akustischer Typ, aber dieser Geräuschetext nimmt mich mit ins Blau……
Wie schön, liebe Myriade!
P.S. Ich bin ja selbst eher der visuelle Typ…
Wunderschön. Der Norden und seine klaren Farben, dazu dieses ganz spezielle Licht…
Ja, dieses Licht hat es mir auch angetan. Freut mich, dass dir die Bilder gefallen.
Ich bin ja gar kein Freund des kalten Nordens, aber deine Fotos zusammen mit deinen Worten… da will ich fast selber hinfahren 🙂
Mmmmh, was für ein feines Kompliment, Ilona! Ich kann den kalten Norden wirklich wärmstens empfehlen. Abgesehen von einer Norwegenreise in grauer Vorzeit war es auch für mich das erste, aber bestimmt nicht das letzte Mal. Die Weite ist einfach unbeschreiblich!