Neulich am Main

Steinerne Geschöpfe / mit und ohne Köpfe / nur eine(r) pro Nische / dass sich nichts mische.

Droben in der Mauer / mit deutlich mehr Power / finden Segler ihr Loch / ohne Abstand – noch.

Still stehen die Statuen, lautlos gleiten die Vögel ums Historische Museum am Frankfurter Mainufer. Ein paar Schritte weiter ruht ein Plakat der Demo vom Vortag. „Listen & Learn“ – gibt es eine schönere Botschaft?

Was sagst du? Die Liebe, sagst du? Na, dann schau mal am Niederräder Ufer auf der anderen Flussseite vorbei. Im alten Schleusenbecken vor der kleinen Insel findest du sie, ein bisschen versteckt. Eine heimliche Liebe halt. Ganz früher war sie mal eine Möwe. Damals, als sie noch als Personenfähre zwischen Düsseldorf und Zons über den Rhein schipperte. Ist lange her. Inzwischen bemühen sich MS Heimliche Liebe und die Besatzung „diskret und unauffällig, mit dem umliegenden Biotop zu verwachsen“, wie es auf der Website des Naturschiffs heißt. Ziemlich erfolgreich, würde ich sagen.

Grüner Baum. Ufersaum. / Entenflaum. Schiffbar kaum. / Lebensraum. Schön anzuschaun.

Wenn du es nicht eilig hast, lass mal die Möwe-Liebe rechts liegen und geh noch ein paar Schritte weiter auf die kleine Insel. Die hat auch schon ein paar Jahre auf dem platten Buckel. Entstanden ist sie Ende des 19. Jahrhunderts, als man die ersten Schleusen am Main baute, damit Frankfurt vom Rhein aus auch mit großen Schiffen zu erreichen war. 1900 wurde auf der Insel ein Flussschwimmbad eröffnet, das noch bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts genutzt wurde. Dann war die Wasserqualität des Mains so schlecht, dass das Baden verboten wurde. Aus dem Flussschwimmbad wurde ein Licht- und Luftbad, kurz: das LiLu. Geliebt wird die kleine Oase offenbar bis heute.

Upside down

Licht und Spiegel verwandeln die Eingangs-Rotunde der Kunsthalle Schirn in Frankfurt in eine begehbare Installation (und die Fotografin vorübergehend in ein Insekt). Die Arbeit „[dis]connect” von Philipp Fürhofer wurde im Rahmen der Ausstellung „Diorama. Erfindung einer Illusion” in Auftrag gegeben. Noch bis zum 25. Februar ist Gelegenheit zum Spiel mit der Perspektive.

Darüber nur der Himmel

Einen besonderen Ort hatte die Freundin angekündigt. Sie hatte nicht zu viel versprochen. Zugegeben, an einem Tag, an dem Eduard Mörike persönlich den Himmel mit blauen Bändern ausgekleidet zu haben schien, ließ es sich gut von Kirchen phantasieren, die von nichts als dem Firmament begrenzt werden.

Die Kirche des ehemaligen Zisterzienserklosters Arnsburg, dem wir auf einer Fahrradtour von Lich nach Bad Nauheim einen Besuch abstatteten, wurde natürlich nicht als Cabrio gebaut, sie verfiel einfach besonders schön, wenn ich das so sagen darf, ohne allzu despektierlich zu erscheinen. Die Abtei, die sich malerisch in die Wetterau im Norden Frankfurts schmiegt, wurde 1174 gegründet und 1803 im Zuge der Säkularisierung aufgehoben. Nach dem Abzug der Mönche 1810 fiel das Klostergut an die Grafen zu Solms-Laubach, die Teile der barocken Gebäude der Anlage bis heute als Schloss nutzen.

Die spätromanischen und frühgotischen Teile der Kirche sind als Freiluftensemble erhalten. An diesem Frühlingstag, der schon den Sommer in sich trägt, lässt der Himmel die zwischenzeitlich restaurierten alten Mauern erstrahlen, dass es eine Pracht ist, wirft das kräftige Licht Säulen und Rundbögen als Schattenrisse ins Gras, während sich dort, wo einst der Altar gestanden haben mag, ein Baumstamm ans Gemäuer schmiegt.

Der ehemalige Kreuzgang ist seit 1960 eine Kriegsgräberstätte. Dort ruhen, wie auf einer Tafel am Eingang nachzulesen ist, „450 Opfer des Krieges und nationalsozialistischer Gewalt: 210 deutsche Soldaten und Zivilpersonen, 1 Belgier, 1 Lette, 1 Luxemburgerin, 3 Niederländer, 49 Polen, 1 Rumäne, 49 Sowjetrussen, 1 Tscheche, 6 Ungarn sowie 128 unbekannte Tote – darunter 81 Frauen und 6 Männer, die im Arbeitslager Hirzenhain von Gestapo und SS erschossen worden sind“. Ein stiller Ort, von Klostermauern sicher umschlossen. Zwischen den Gräbern stehen niedrige steinerne Kreuze, manche allein, andere zu zweit oder zu dritt. Im Hintergrund plätschert ein Brunnen.

Urlaub im Urwald

P1070318Es gibt Orte, die sind voller Magie. Der Urwald Sababurg im nordhessischen Reinhardswald ist für mich so ein Ort. Mit seinen nicht einmal 100 Hektar ist er ziemlich überschaubar und doch – ganz besonders.

P1070357Aus dem federnden Boden sprießen bizarre Blüten, kriechen hölzerne Spinnen und Schlangen. Über unseren Köpfen meinen wir das Trompeten von Elefanten zu vernehmen.

P1070324Angenehm unaufgeräumt ist es in diesem Zauberwald und gleichzeitig schön hell. Das liegt daran, dass der Urwald ein alter Hutewald ist. Über Jahrhunderte trieb man Schweine, Ziegen und anderes Nutzvieh zum Weiden hierher.

P1070362Die Tiere taten sich an Eicheln und Bucheckern, an Pilzen, Kräutern und Wildobst, aber auch an den Trieben der nachwachsenden Bäume gütlich. So entstand mit der Zeit ein lichter Wald mit wenig Unterwuchs unter großkronigen Hutebäumen.

P1070325Seit gut 100 Jahren steht der Urwald Sababurg unter Naturschutz und ist seither weitgehend sich selbst überlassen.

P1070354Zwischen malerischen alten Eichen und Buchen und einem wild nachwachsenden Wald aus Buchen, Birken und meterhohem Farn liegen umgestürzte Stämme und abgebrochene Äste.

P1070331Aufrecht rotten abgestorbene Bäume vor sich hin, verfallen ganz allmählich zu Staub, bilden ihrerseits den Urgrund für neues Leben. Ein steter Kreislauf aus Wachsen und Vergehen.

P1070336Zwei Wochen ist der Ausflug in den Urwald nun schon her. Das ist eine lange Zeit, besonders im Frühjahr. Das auf den Bildern fehlende Laub liefert Heinz Erhardt nach:

Urlaub im Urwald

Ich geh‘ im Urwald für mich hin…
Wie schön, dass ich im Urwald bin:
man kann hier noch so lange wandern,
ein Urbaum steht neben dem andern.
Und an den Bäumen, Blatt für Blatt,
hängt Urlaub. Schön, dass man ihn hat!

Taunus to take away

P1030755Mit Freundin A. auf Wandertour im Taunus. Die kleinen Gute-Laune-Portionen hatten schon andere mit auf den Weg genommen, aber die „Quelle“ sprudelte unvermindert frisch den Laternenpfahl herunter, als wir in der prallen Mittagssonne durch Kronbergs Straßen stapften. Berg- und baumschattenwärts natürlich, der kühleren Lüfte wegen.

P1030749Gerade erst hatte ich einen Merkzettel in die Hosentasche geschoben: „Streitkirche“. Wer wollte bestreiten, dass es bei Kirchens nicht immer friedlich zugeht, aber seit wann schreiben sie das auf die Mauern? Inzwischen habe ich mich bei Wikipedia schlauer gemacht. Und wie sie gestritten haben, die Lutheraner und die Katholiken! Reformation, Gegenreformation, Gegen-Gegenreformation… Im Zuge des dritten Versuchs der Re-Katholisierung des Territoriums ordnete der Mainzer Kurfürst 1737 den Bau einer katholischen Kirche in der Stadt Kronberg an – unmittelbar neben der vorhandenen evangelischen. Dass das Ärger geben würde, war ja klar. Die Protestanten wandten sich hilfesuchend an ihren Schutzherrn, den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, dieser an das „Corpus Evangelicorum“ beim Reichstag in Regensburg. Ein Prozess vor dem Reichskammergericht endete 1765 mit der Verfügung, den Giebelturm der schon seit 1739 so gut wie fertig gestellten „Streitkirche“ abzubrechen und das Gebäude in einen Zivilbau umzuwandeln. Und dabei sollte es bleiben. Die „Streitkirche“ wurde immer mal wieder umgebaut. Sie diente als Lager, war Gasthaus und beherbergt heute die Hof-Apotheke und ein paar andere Geschäfte. Die Kronberger Katholiken nutzten weiterhin die Burgkapelle. Eine eigene Pfarrkirche konnten sie erst 1877 einweihen.

P1030761Die schönen Zeilen über die Relativität materiellen Besitzes entdeckten wir auf dem Rettershof nördlich von Fischbach, das wiederum zu Kelkheim gehört. (Merkzettel in die Hosentasche!) Noch so ein Ort mit wechselvoller Geschichte: Der Rettershof ist ein ehemaliges Prämonstratenserkloster, der Ortsname Retters bedeutet „Rat Gottes“. Vom 12. Jahrhundert bis 1559 waren dort Ordensfrauen ansässig, später nutzten verschiedene Eigentümer das Anwesen als Hofgut. Heute ist der Rettershof ein Reiterhof und das Schlösschen im englischen Tudorstil gleich oberhalb ein beliebtes Ausflugsziel.

P1030768Wieder zu Hause fand ich noch den Merkzettel „Fischbach“. Der sollte mich daran erinnern, dass in dem Straßendorf offenbar jeder Einwohner eigene Bauvorlieben verwirklichen durfte. Beim Blick über die Zäune stießen wir sogar auf ein Ensemble, das aussah, als hätte jemand versucht, Friedensreich Hundertwasser in Waschbeton nachzuempfinden. Leider ergab die Internet-Recherche hierzu nichts Erhellendes.

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