Buddhas Bauch

„Happy Buddha! Happy Buddha!“ Die kleinen zarten Dao-Frauen im nordvietnamesischen Hochland wollten sich schier ausschütten vor Lachen. Feixend machten sie einander auf den großen Mann im roten T-Shirt aufmerksam. Der kramte gelassen weiter in seinem Rucksack. Als erfahrener Asien-Reisender war er es gewohnt, mit seiner Statur Aufmerksamkeit zu erregen. Nur über den Bauch streichen lassen wollte er sich partout nicht. Dabei kommt es genau darauf an…

Im alten China, vor mehr als tausend Jahren, war der „Laughing Buddha“ ein berühmter Mönch. Mit einem Lächeln auf den Lippen reiste er durchs Land und rief bei allen, denen er begegnete, Freude und Glück hervor. Schon seit Jahrhunderten ist es Brauch, einer Happy-Buddha-Figur über den Bauch zu streichen. Das bringt Glück und Erfolg. Probier es nur aus! Für das Prachtexemplar auf dem Foto unten musst du nicht einmal nach Asien reisen. Du findest es im Künstlerdorf Worpswede bei Bremen.

Komm gut ins neue Jahr!

Und alle Zeit ward Gegenwart

Ich hörte seine Melodie, bevor ich ihn sah. Zart und ein wenig melancholisch lenkte sie meinen Schritt. Bis ich vor dem Alten stand, der inmitten ungezählter Stoffbündel, die er wie ein vielfarbiges Iglu um den Leib drapiert hatte, an der Alster hockte und blies. Auf den ersten Blick wollten die Flötentöne so gar nicht zu dem wettergegerbten Gesicht und den rissigen Händen passen, die sie hervorriefen. Dann verbanden sich Gesicht und Hände und Klänge. Und zu den gerade gehörten gesellten sich alte, beinah schon vergessene…

*

Es war mein letzter Abend in Santiago de Chile. Die anderen waren schon abgereist. Noch einmal wollte ich im Café Patagonia essen. Ich hatte Glück, draußen war ein kleiner Tisch frei. Während ich in der Karte blätterte, zogen ungeordnet Bilder der zurückliegenden Wochen über die innere Leinwand. Valparaíso, die morbide Schöne auf den bunten Hügeln am Wasser. Die atemberaubenden Sonnenauf- und -untergänge in der Atacama-Wüste, die die Salzkordillere und den alles überragenden Licancabur in ein Meer von Gelb bis Violett tauchten. Seen in allen Blau-, Grün- und Braunschattierungen, gleichschenklige Vulkane mit und ohne Schneekuppe, mit und ohne Rauchfahne. Und schließlich Patagonien! So viele Jahre schon war mir der äußerste Süden Amerikas durch Kopf und Herz gegangen, diese wind- und wettergepeitschte Ecke, die beim Blättern in Chile- und Argentinien-Reiseführern Sehnsüchte und Depressionen gleichermaßen auslösen kann. Patagonien, das eine Freundin nur „Pantalonien“ nennt, weil immer mit Schnee und Regen zu rechnen ist und das man deshalb auch im Hochsommer nicht ohne warme Hosen bereisen sollte – uns schenkte es Tag um Tag weite Blicke auf die majestätischen Torres und Cuernos del Paine.

Einen passenderen Ort als das Patagonia konnte ich mir für meinen Abschiedsabend nicht vorstellen. Der Kellner empfahl ein Fischgericht. Ein paar Tische weiter spielte ein junger Mann Flöte. Nach einer Weile kam er auch an meinen Tisch, mit wallendem Haar und Vollbart, in überlangen kurzen Hosen, ziemlich blass das ernste Gesicht. „Ich würde dir gern etwas für die Musik geben, habe aber nur einen 5000-Peso-Schein“, sagte ich. Er lachte: „Umso besser.“ Ich: „Wenn du wechseln kannst…?“ Er: „Kein Problem.“ Ich drehte mich zur Seite – und sah, dass meine Tasche nicht mehr über der Stuhllehne hing. Gestohlen! Dabei war es immer noch taghell. Und die Lehne zeigte zur Hauswand des Cafés. Was für ein geschickter, aber auch: was für ein dreister Dieb!

Der herbeigerufene Kellner verschwand gleich wieder im Lokal. Als er zurückkehrte, teilte er mir mit, dass meine Bestellung storniert sei. Ich war überrascht, erklärte, dass ich gerne wie geplant essen und am nächsten Tag bezahlen würde. Der Kellner verschwand abermals. Der junge Flötist, der immer noch an meinem Tisch stand, sagte, er fühle sich irgendwie schuldig. Und er hoffe, dass mich das Café wenigstens zum Aperitif einladen werde. Ich lächelte ebenso dankbar wie zuversichtlich, und er ging.

Es erschien die Geschäftsführerin. Noch einmal erklärte ich, dass ich gerne essen und am folgenden Tag zahlen würde. Sie lehnte ab. Mein Hinweis, dass der Diebstahl immerhin in ihrem Lokal passiert sei, rief nicht mehr als ein Achselzucken hervor. Das, so sagte sie, käme jeden Tag vor. Geld, Handys, Taschen – alles werde geklaut. Außerdem sei der Diebstahl ja nicht  i m  Lokal sondern draußen geschehen.

Ich ging. Ich fühlte mich einsam und gedemütigt. Und ich war wütend. Stürmte ins Hotel, merkte, dass ich nicht bleiben und zu Bett gehen wollte, tauschte das Sommerröckchen gegen eine Jeans, stopfte meine Kreditkarte in die Hosentasche und rannte wieder los, Richtung Plaza de Armas. Überholte Dutzende Einheimische. Nur weiter, immer weiter! Ja, ich fühlte mich einsam, aber auch frei und stark, wie ich so durch die Straßen pflügte. Abrupt stoppte ich an einem Bankautomaten und wusste: Ich würde mir meinen Abschiedsabend von niemandem kaputt machen lassen! Ich würde mir ein richtig nettes Lokal suchen und fürstlich speisen – jetzt erst recht!

Nur wenige Schritte vom Café Patagonia entfernt wurde ich fündig. Und während ich in dem namenlosen Restaurant die vermutlich beste Pasta Chiles und einen cremig-schmelzenden Käsekuchen genoss, der „Bella Martha“ zur Ehre gereicht hätte, dazu einen guten Sauvignon blanc, ertönte von draußen die schon vertraute Musik – „und alle Zeit ward Gegenwart“.

Ein Haus bei Nacht durch Strauch und Baum
Ein Fenster leise schimmern ließ,
Und dort im unsichtbaren Raum
Ein Flötenspieler stand und blies.

Es war ein Lied so altbekannt,
Es floss so gütig in die Nacht,
Als wäre Heimat jedes Land,
Als wäre jeder Weg vollbracht.

Es war der Welt geheimer Sinn
In seinem Atem offenbart,
Und willig gab das Herz sich hin
Und alle Zeit ward Gegenwart.

Hermann Hesse, Flötenspiel

Ich zahlte und verließ das Lokal. Vor mir stand der junge Flötenspieler und lächelte. Endlich konnte ich ihm ein Trinkgeld für die Musik geben. „Zurückkommen?“ fragte er mich plötzlich in meiner Sprache. „Un día?“ Ja. Eines Tages.

*

Und jetzt in Hamburg floss ein neues Lied in den Tag, weniger virtuos als das chilenische vielleicht, aber nicht minder gütig. – Die Fotos zeigen Murals aus Valparaíso.

Gesichter von Sarau

Das erste Mal war mir der Ortsname Sarau am anderen Ende der Welt begegnet. Ich recherchierte für ein Buch über deutsche Auswanderer in Neuseeland („I did it my way“, Berlin 2012). An einem stürmisch-regnerischen Tag machte ich mich auf den Weg in die Moutere Hills nordwestlich der Stadt Nelson, wo sich einst die ersten deutschen Siedler niedergelassen hatten. Mein Ziel war das um 1850 gegründete Dorf Upper Moutere, das noch bis 1917 Sarau hieß, wie eine Gemeinde im Kreis Herzogtum-Lauenburg in Schleswig-Holstein.

Nachdem Neuseeland 1840 durch den Vertrag von Waitangi zur britischen Kronkolonie geworden war, gelang es der New Zealand Company und ihren Agenten, mehr britische und erstmals auch deutsche Auswanderer dazu zu bewegen, die weite Reise ins Ungewisse anzutreten. Die ersten 140 Siedler stachen Ende 1842 auf der „St. Pauli“ von Hamburg aus in See. Mit an Bord waren auch vier Missionare der Norddeutschen Missions-Gesellschaft, die die christliche Botschaft zu den Maori bringen wollten.

Im Juni 1843 erreichte die „St. Pauli“ den Hafen von Nelson in der Tasman Bay im Norden der neuseeländischen Südinsel. Falls die Reisenden eine Art Gelobtes Land erwartet haben sollten, wurden sie schnell enttäuscht: Nur wenige Tage nach ihrer Ankunft kam es am Wairau River südöstlich von Nelson zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen britischen Siedlern der New Zealand Company und Maori, die sich ihr Land partout nicht wegnehmen lassen wollten. 26 Menschen kamen dabei ums Leben. Und die Geistlichen stellten schon bald fest, dass es in Nelson und Umgebung gar nicht so viele zu missionierende Maori gab beziehungsweise sich diese bereits unter englischer geistiger Obhut befanden.

Allen Widrigkeiten zum Trotz schafften die Neuankömmlinge das landwirtschaftliche Gerät, das sie aus der Heimat mitgebracht hatten, auf den Grund und Boden, den sie der New Zealand Company abgekauft hatten. In einem Tal in den Moutere Hills gründeten sie St. Paulidorf, die erste deutsche Siedlung in Neuseeland. Lange hielten es die Auswanderer allerdings nicht dort aus, weil das Land immer wieder überflutet wurde. Viele machten sich in andere Gegenden Neuseelands oder gleich nach Australien auf, um dort ihr Glück zu suchen. Andere siedelten sich an trockeneren Orten in der Umgebung an. Heute heißt der Flecken Land, der einmal St. Paulidorf war, Harakeke. Das ist das Maori-Wort für den neuseeländischen Flachs, den man überall im Land, aber vor allem in niedrig gelegenen sumpfigen Gebieten antrifft.

Im Herbst 1844 erreichte der dänische Großsegler „Skjold“, der extra für die Beförderung von Emigranten gebaut worden war, den Hafen von Nelson. An Bord: eine zweite Gruppe von Siedlern aus dem mecklenburgischen Klütz. Die Überfahrt hatte Graf Kuno zu Rantzau-Breitenburg finanziert, der an Siedlungsprojekten in Neuseeland als Investitionsvorhaben interessiert war. Ihm zu Ehren nannten die Auswanderer ihre Ansiedlung ein paar Kilometer südwestlich von Nelson in der fruchtbaren Waimea Ebene Ranzau. Noch heute führt die Ranzau Road durch Hope, wie das kleine Örtchen inzwischen heißt. Auch einige der Auswanderer, die auf der „St. Pauli“ nach Neuseeland gekommen waren, ließen sich dort nieder und bauten Getreide, Obst, Hopfen und Tabak an.

Pastor Johann Wilhelm Christof Heine, der einzige in Nelson verbliebene der vier norddeutschen Missionare, lebte mit seiner Frau Anna ebenfalls ein paar Jahre in Ranzau und kümmerte sich um die Seelen der Neubürger. Den Plan, die Maori der Gegend zu missionieren, hatte er längst aufgegeben. Ihre endgültige Heimat fanden die Heines schließlich in der neuen Auswanderersiedlung Sarau, nur wenige Kilometer südlich des alten St. Paulidorf in den Moutere Hills. Pastor Heines Schwiegervater hatte in Sarau bereits ein Haus gebaut, in dem er 1857 auch den „Moutere Inn“ eröffnete, der noch heute damit wirbt, der älteste Pub Neuseelands zu sein, jedenfalls der älteste im Originalgebäude betriebene.

In Upper Moutere, dem früheren Sarau, stach mir sofort die schöne Holzkirche an der Kreuzung Main Road / Supplejack Valley Road ins Auge. 1865 hatte Pastor Heine St. Paul’s, die erste lutherische Kirche am Ort, eingeweiht. Das alte vom Holzwurm befallene Gebäude wurde 1905 durch den heutigen Bau ersetzt. Rund um die Kirche erstreckt sich der Friedhof. „In loving memory“ lese ich auf einem der Grabsteine. Und gleich daneben: „Hier ruhet in Gott“.

Während ich an den Gräbern entlang schlendere und mir das Leben in Sarau vor 150 Jahren vorzustellen versuche, fällt mein Blick auf eine dünne ältere Frau ganz in Schwarz, die sich in der Nähe der Kirche zu schaffen macht. Ich frage sie nach dem Grab von Pastor Heine. Sie will wissen, wer da fragt. Wir sprechen über Auswanderer in den alten und neuen Zeiten, als Margaret plötzlich auf ein steinernes Kreuz ganz in unserer Nähe zeigt. „Er war mein Urgroßvater“, sagt sie: Pastor J.W.C. Heine, geboren am 18. Mai 1814, gestorben am 18. März 1900. Die alte Frau holt geschwind eine Wurzelbürste aus dem Altarraum der Kirche und rückt damit dem Moos auf dem Grabstein von Uropa Johann und Uroma Anna zu Leibe, damit auf den Fotos auch etwas zu erkennen ist. Für einen Moment scheint das alte Sarau ganz nahe zu sein.

Der Ort ist überschaubar. Neben der Kirche und dem ältesten Pub Neuseelands gibt es in Upper Moutere noch einen General Store, eine Mischung aus Laden und Café. Außerdem: eine Tankstelle, einen Fish-and-Chips-Shop, ein paar (Kunst-)Handwerker sowie Winzer, darunter die Weinkeller von Neudorf und Himmelsfeld. Was man zum Leben so braucht. Und die Schule direkt gegenüber der Kirche natürlich, deren Geschichte ebenfalls bis in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Überschaubar ist der Ort und doch habe ich ihn belebter in Erinnerung als das namensgebende Sarau im Kreis Herzogtum-Lauenburg in Schleswig-Holstein, dem ich auf einer Fahrradtour um den Ratzeburger See jetzt endlich auch einmal einen Besuch abgestattet habe.

Sehr still war dieses Sarau, eigentlich: Groß Sarau, ganz im Norden des Sees. Ein paar landwirtschaftliche Gebäude. Die „Alte Meierei“, inzwischen ein Dorfladen, der aber gerade Betriebsferien hatte. Eine Taverne am See, offenbar für länger geschlossen. Der Dorfkrug, der auch erst später am Tag öffnen würde. Feuerwehrgerätehaus und Gemeindebüro, ebenfalls zu. Ein paar Häuser neueren Datums, vielleicht Ferienhäuser. Keine „Margaret“ weit und breit, leider. Die Tankstelle an der Hauptstraße immerhin hatte geöffnet. Auf dem Steg am See verzehrte ich ein Eis, das ich im Shop der Tankstelle gekauft hatte.

Alle naslang

Alle naslang begegnet einem irgendwas, wenn man, quasi immer der Nase nach, durch die Gegend streift. Wie hoch die bronzene Frau auf dem Angermünder Markt die ihre trägt!

Wem nur mag der Narr vor der Klosterkirche ein paar Straßen weiter eine lange Nase drehen? Die älteste bildliche Darstellung der Geste findet sich, wie ich später nachlas, im Fest der Narren, einer Radierung Pieter Bruegels des Älteren aus dem Jahre 1559. Auch im Englischen sagen sie übrigens to thumb one‘s nose. Und im Französischen verlängert man die Nase gleich um eine Fußlänge, wenn man jemanden verspottet: faire un pied de nez.

Meine Nase hat mich übrigens nicht getrogen: Den Angermünder Künstler Christian Uhlig, der sowohl den Marktbrunnen als auch die Geschichte ohne Ende vor der Klosterkirche gestaltete, kannte ich tatsächlich bereits. Die Flötistin und der Cellist aus der Skulpturengruppe Zeitreise in Wittenberge an der Elbe, an denen ich vor Jahren vorbei radelte, sind auch von ihm. Sehen sie nicht aus wie Geschwister der Dame auf dem Angermünder Markt?

Wie auch immer: Die Nase vorn hat sicher der Elefant vor einer Wohnanlage in Hamburg-Eimsbüttel, den ich im vergangenen Herbst fotografierte. Mit dessen Rüssel kann selbst ein spottender Franzose nicht mithalten.

Wabi Sabi in Brandenburg

Der weite Himmel über sanft rollenden Hügeln.
Dräuend bisweilen, kurz vor dem Regen, den das trockene Land so dringend braucht.

Die backsteinernen Kirchlein in den Dörfern. Die vielen Kopfsteinpflasterstraßen.
Steinreich sind sie in der Gegend.

Der Obstbaum hinter dem Haus.
Die Birnen des Herrn von Ribbeck sind nur einen Steinwurf entfernt.

Altes landwirtschaftliches Gerät.
Zu nichts mehr zu gebrauchen als dazu uns zu erinnern.

Gärten so wild.

Häuser so verlassen.

Wälder so still.

Wie ich die herbe Schlichtheit mag, das Unvollkommene, manchmal auch halb Verfallene, in denen so viel Schönheit liegt!

Schlicht und schön

Schönheit besteht in Harmonie, die immer eng mit Schlichtheit verbunden ist.
Giacomo Casanova (1725 – 1798), italienischer Abenteurer und Schriftsteller

Die Baukunst fordert vor allem Ruhe.
Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), preußischer Architekt, Baumeister, Stadtplaner und Maler

Leider war der Himmel ziemlich bedeckt, als ich das ehemalige Zisterzienserkloster Chorin ein paar Kilometer nördlich von Eberswalde im brandenburgischen Landkreis Barnim besuchte. Der wohltuenden Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, tat das keinen Abbruch. Aber ich vermute, er ist noch schöner, wenn Sonnenlicht die vielen Rottöne der Backsteine zum Brennen bringt.

Der letzte Mönch verließ die Abtei bereits 1545. Danach wurden die heiligen Hallen als Schweinestall und Scheune benutzt. Mauern wurden eingerissen, um die Steine für eigene Zwecke zu verwenden. Bald schon war das Kloster zur Ruine verkommen. Und es wäre wohl kaum noch etwas von ihm übrig, wenn nicht der Baumeister Karl Friedrich Schinkel die Bedeutung der Anlage erkannt und ihren Verfall gestoppt hätte. Für Schinkel war der gotische Bau „des Landes schönster Schmuck“. Heute ist das oberhalb des Amtssees gelegene Kloster eines der wichtigsten Backsteindenkmäler Deutschlands. Der „Choriner Musiksommer“ mit Konzerten in und um die ehemalige Abtei fällt in diesem Jahr wegen Corona leider aus.

Korrespondenzen

„Lost in Time like Tears in Rain“ – was für ein Titel! Auf die Suche nach der verlorenen Zeit begab sich jüngst die Baseler Fondation Beyeler mit einem Streifzug durch die moderne Kunst. Die Sammelausstellung aus Leihgaben und eigenen Neuerwerbungen läuft leider schon nicht mehr. Man sehe mir bitte nach, dass ich erst jetzt davon erzähle, ich bin ein wenig trödelig mit dem Bloggen in diesem Sommer. Allerdings geht es mir heute auch weniger um eine Auseinandersetzung mit konkreten Kunstwerken als um Korrespondenzen.

Immer wieder freue ich mich darüber, wie sehr Ausstellungsräume und Ausgestelltes bisweilen miteinander sprechen. So wie das Blumentriptychon von Rudolf Stingel mit dem ebenfalls unterteilten Ausblick auf den Park der Fondation Beyeler. Klar, das haben sich die Ausstellungsmacher genau so gedacht. Aber schön ist es doch.

Wie aber kann es sein, dass auch Ausstellungsbesucher geradezu dafür geschaffen zu sein scheinen, vor bestimmten Exponaten zu verweilen? Die Frau mit der orangefarbenen Hose und dem blauen Handy vor Andy Warhols (beinahe) gleichfarbigen Blumen zum Beispiel?

Die Frau mit den raspelkurzen Haaren vor der gleichmäßig schraffierten grauen Fläche (Stingel)?

Oder die Frau im Trench vor dem Gespenst (Stingel)?

Die Ausstellung von Rudolf Stingel (im Hintergrund im Bett liegend abgebildet), ist übrigens noch bis zum 6. Oktober zu sehen. Auch in seinen Werken geht es um Spuren der Zeit. An einigen Stellen sind die Besucher dazu aufgerufen, eigene zu hinterlassen.

Spiel mit dem Feuer

Gegensätze ziehen sich an. Das ist in Nordfriesland offenbar nicht anders als in anderen Regionen. So kam es, dass das priesterlich-majestätische Violett und das saftig-fruchtige Orange zuerst jeweils sich selbst ein Herz und sodann einander bei den Händen fassten und munter in die Pfützen sprangen, die das abgelaufene Wasser vor der Halbinsel Nordstrand hinterlassen hatte. Dort tollten die beiden eine Weile mit leuchtenden Bäckchen herum, bis sie sich – ermattet von ihrem beinahe schon komplementären Spiel – zur Ruhe begaben. Nur ein paar einsame Deichläufer und eine Herde Schafe sahen zu.