Einen besonderen Ort hatte die Freundin angekündigt. Sie hatte nicht zu viel versprochen. Zugegeben, an einem Tag, an dem Eduard Mörike persönlich den Himmel mit blauen Bändern ausgekleidet zu haben schien, ließ es sich gut von Kirchen phantasieren, die von nichts als dem Firmament begrenzt werden.
Die Kirche des ehemaligen Zisterzienserklosters Arnsburg, dem wir auf einer Fahrradtour von Lich nach Bad Nauheim einen Besuch abstatteten, wurde natürlich nicht als Cabrio gebaut, sie verfiel einfach besonders schön, wenn ich das so sagen darf, ohne allzu despektierlich zu erscheinen. Die Abtei, die sich malerisch in die Wetterau im Norden Frankfurts schmiegt, wurde 1174 gegründet und 1803 im Zuge der Säkularisierung aufgehoben. Nach dem Abzug der Mönche 1810 fiel das Klostergut an die Grafen zu Solms-Laubach, die Teile der barocken Gebäude der Anlage bis heute als Schloss nutzen.
Die spätromanischen und frühgotischen Teile der Kirche sind als Freiluftensemble erhalten. An diesem Frühlingstag, der schon den Sommer in sich trägt, lässt der Himmel die zwischenzeitlich restaurierten alten Mauern erstrahlen, dass es eine Pracht ist, wirft das kräftige Licht Säulen und Rundbögen als Schattenrisse ins Gras, während sich dort, wo einst der Altar gestanden haben mag, ein Baumstamm ans Gemäuer schmiegt.
Der ehemalige Kreuzgang ist seit 1960 eine Kriegsgräberstätte. Dort ruhen, wie auf einer Tafel am Eingang nachzulesen ist, „450 Opfer des Krieges und nationalsozialistischer Gewalt: 210 deutsche Soldaten und Zivilpersonen, 1 Belgier, 1 Lette, 1 Luxemburgerin, 3 Niederländer, 49 Polen, 1 Rumäne, 49 Sowjetrussen, 1 Tscheche, 6 Ungarn sowie 128 unbekannte Tote – darunter 81 Frauen und 6 Männer, die im Arbeitslager Hirzenhain von Gestapo und SS erschossen worden sind“. Ein stiller Ort, von Klostermauern sicher umschlossen. Zwischen den Gräbern stehen niedrige steinerne Kreuze, manche allein, andere zu zweit oder zu dritt. Im Hintergrund plätschert ein Brunnen.
