Munter schritt die Prinzessin aus. „Ist der Berg auch noch so steil, a bisserl was geht allerweil“, sagte sie sich. Inzwischen rief sie „Grüß Gott!“, wenn sie unterwegs auf andere Menschen traf und hatte auch sonst ein paar Brocken in der fremden Mundart gelernt.
Apropos Gott. An wie vielen Kirchen und Kapellen mochte sie wohl schon vorbei gekommen sein auf ihrer Wanderung? In die meisten hatte sie hineingeschaut, in manch einer eine Kerze entzündet, eine Fürbitte gesprochen, für den alten König, für die alte Königin in ihrem Exil. In einer, der Seesumpf-Kapelle, hatte sie sogar Brotzeit gehalten, so nass war es draußen.
„Im Herbst sitzt hinter jeder Staude ein anderes Wetter“, sagten die Alten im Tal. Wie recht sie doch hatten. Ein paar Tage lang war die Prinzessin bei strahlendem Sonnenschein die Berge hinauf und hinunter gestapft, jetzt hingen die Wolken so tief, dass man schon im Tal mit dem Kopf dagegen stieß.
Einige Bauern brachten sogar das Vieh mit dem Regenschirm auf die Weide.
Die Prinzessin, die sich von so ein paar Tropfen natürlich nicht bremsen ließ, sah bisweilen die Hand vor Augen nicht.
Dafür aber den Bluatschink. Ganz plötzlich tauchte er neben ihr im Gras auf. Da gehörte er eigentlich gar nicht hin. Die Prinzessin erschrak ordentlich. Vor diesem Flusswesen, das unvorsichtige Besucher seiner Wasserwelt mit langen Fangarmen umschlang, hatte man sie gewarnt. Besonders Kindern, die sich zu nah ans Ufer wagten, biss der Bluatschink zu gern in den „Schinken“. Bloß schnell weiter!
Viel später erfuhr die Prinzessin, dass der Bluatschink längst nicht mehr nur unvorsichtige Kinder (und Erwachsene) im Visier hatte sondern vor allem auch Menschen, die den Fluss mit Müll und Abwasser verschmutzen oder seiner natürlichen Freiheit berauben wollen, indem sie ihn in Betontrassen lenken. Als sie das hörte, hatte sie fast gar keine Angst mehr vor dem Bluatschink sondern mochte ihn richtig gut leiden.
So wie die Geierwally, die die Prinzessin gar nicht so weit entfernt traf. Das heißt, getroffen hat sie eigentlich nur ein Bild von ihr vor der Kirche. Die Geierwally selbst war nämlich schon eine Weile tot, muss aber eine ziemlich interessante Frau gewesen sein.
Schon als junges Mädchen nahm sie furchtlos einen Adlerhorst aus, was eigentlich Männersache war. Keine Ahnung, was die inzwischen so machten. Im Grunde hätte die Geierwally natürlich Adlerwally heißen müssen, aber die Leute bezeichneten damals alle großen Greifvögel als Geier. Naja. Und noch eigentlicher hätte man Adleranna sagen müssen, denn die Wally war ja nur eine Romanfigur und hieß in Wirklichkeit Anna – und wenn sie nicht gerade Adlerhorste ausnahm, malte sie Porträts und Blumen.
Das alles und noch viel mehr erfuhr die Prinzessin von Guido, der zu und zu gern von der Geierwally erzählte und dabei in seiner Geierwally-Küche die herrlichsten herzhaft-vegetarischen Knödel briet, die die Prinzessin je gekostet hatte. Für die süßen hatte sie leider weder Platz in ihrem Bauch noch Zeit. Denn es zog sie zurück ans Wasser…