Bei den Buschmännern

P1080609Die Erongo-Berge im Westen Namibias sind eine dieser Landschaften, in denen es aussieht, als seien Riesen mitten im Murmelspiel unterbrochen worden.

P1080543Man kann das auch mit ihrer vulkanischen Entstehung erklären, ich weiß. Das Gebirge ist der Überrest eines riesigen Vulkans, der vor Jahrmillionen unter der Erdoberfläche ausbrach. Auf Satellitenaufnahmen lässt sich der gewaltige Ring noch heute erahnen.

P1080550Aber so genau will ich es an diesem Tag gar nicht wissen. Ich will einfach nur gehen. Gehen und schauen.

P1080527In diesem eher sinnlichen Modus bin ich auch noch, als wir nach unserer Morgenwanderung auf zwei Buschmänner treffen, die uns zeigen wollen, wie ihre Vorfahren einst als Jäger und Sammler in dieser karg-schönen Gebirgs- und Steppenlandschaft lebten und überlebten.

P1080570Mit nichts als einem Lendenschurz bekleidet, mit dem kleinen Jagdbogen in der Hand und dem Köcher voller Pfeile über der Schulter spazieren sie mit uns durch den Busch. Sehr schmal, sehr geschmeidig.

P1080575Pirschen sich an das imaginäre Wild an, legen den Pfeil auf die Sehne des Bogens, spannen – und Schuss. Nun bräuchte man nur noch der Spur des getroffenen Tiers zu folgen, bis das Pfeilgift seine Wirkung getan hätte…

P1080576Buschmänner (San) sind die Ureinwohner im südlichen Afrika. Mit dem Vordringen der Bantu aus dem Norden und der Landung der ersten Europäer begann ihre Vertreibung aus den angestammten Lebensräumen bis in die Wüstenregionen der Kalahari an der Grenze zu und in Botswana. In Namibia machen sie als kleinste ethnische Gruppe gerade noch zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Die meisten können heute nicht mehr als Jäger und Sammler leben. Die Arbeitslosigkeit unter den San ist ziemlich hoch. Ein Teil arbeitet auf Farmen oder als touristische Fährtenleser für Lodges. Einige wenige versuchen, die alten Traditionen aufrecht zu erhalten.

P1080599Unsere Begleiter sind Teil des Projekts „Lebendes Museum“ der Ju’Hoansi-San auf der Farm Omandumba. Sie leben dort eine Weile mit ihrer Familie, geben Besuchern Einblicke in die uralte Kultur und Lebensweise der San, dann kehren sie in ihr altes Leben zurück, andere Buschleute kommen und leben eine Weile im Museum. Verschiedene Programme werden angeboten, unter anderem so eine Buschwanderung, wie wir sie gemacht haben. Ist das jetzt Traditionspflege oder Folklore für Touristen?

P1080588Ein bisschen komisch – präziser: voyeuristisch – fühlte sich die Begegnung schon an. Aber letzten Endes hat mich das Projekt überzeugt. Es bietet den beteiligten San ja nicht nur eine Einnahmequelle sondern außerdem die Möglichkeit, in traditionellen Familienstrukturen zusammenzuleben und ihr Wissen und Können außer an uns Besucher auch an ihre Kinder weiterzugeben. Vier von ihnen waren bei unserem Bushwalk dabei und haben nicht nur beim Feuermachen sehr genau zugehört und zugesehen, was die Älteren sagten und taten.

P1080596Apropos sagten: Besonders viele Informationen drangen an diesem Tag nicht bis zu meinem Gehirn vor. Zu sehr war ich damit beschäftigt zu schauen und mehr noch – den vielen Klick- und Schnalzlauten zu lauschen, die die Rede des älteren der beiden Männer durchströmten wie ein Fluss ganz eigener Art. Dass man eine Khoisan-Sprache – außer den San gehören auch die in früheren Beiträgen bereits erwähnten Damara und Nama zu dieser Sprachfamilie – angeblich entweder im Kindesalter oder aber nie mehr lernt, will ich gern glauben. Hörprobe gefällig?

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Sprechende Steine

P1080376Wie es sich anfühlt, auf einem viele Millionen Jahre alten Baumstamm zu sitzen und geradeaus zu schauen? Ziemlich gut! Nicht dass ich mir auch nur ein einziges Jahrtausend auch nur annähernd vorstellen könnte, aber dieses entspannte Gefühl eigener Bedeutungslosigkeit, gepaart mit so etwas wie Eingebundensein in einen größeren Kontext von Raum und Zeit, das mich im Angesicht alles „Ewigen“ zuverlässig befällt, stellte sich für einen Moment auch bei unserem Besuch im Versteinerten Wald in der Nähe der Stadt Khorixas ein.

P1080363Mehr als 50 fossile Stämme sind dort zu bestaunen, die vor sagenhaften 250 Millionen Jahren von einer gewaltigen Flut entwurzelt und dorthin gespült worden sein sollen. Sand und Schlamm schlossen die Bäume luftdicht ab, so dass sie nicht vermodern konnten, eindringendes kieselsäurehaltiges Wasser ließ sie versteinern. Die darüberliegenden Gesteinsmassen wurden durch Erosion im Laufe von Jahrmillionen abgetragen, bis die Stämme wieder sichtbar wurden: fürs Auge auch heute noch eindeutig Holz (einmal sehen können, was sie einst sahen!), für die prüfende Hand – hart wie Granit.

P1080441Noch ganz jung sind im Vergleich dazu die Felsbilder von Twyfelfontein weiter südlich, aber absolut betrachtet ebenfalls unfassbar alt. Die ältesten sollen vor 6000 Jahren entstanden sein. Ganz überwiegend handelt es sich um Gravuren, die mit harten Quarzsteinen mehrere Millimeter tief in die weicheren Sandsteinplatten geritzt wurden: Giraffen, Strauße, Zebras, Antilopen, Nashörner, Elefanten und andere Tiere der Savanne. Aber auch Gestalten mit Pfeil und Bogen und menschliche Fußabdrücke sind zu sehen.

P1080452Was wohl der lange, hoch aufgerichtete Schwanz des Löwen zu bedeuten hat?

P1080423Geschaffen wurden die Bilder vermutlich von den Ureinwohnern des heutigen Namibia: Buschleuten (San) und Damara, die in dem Gebiet auf Jagd gingen. Eine Quelle, die im 20. Jahrhundert nur noch spärlich sprudelte – das trug ihr den Namen „Twyfelfontein“ (Zweifelsquelle) ein –, zog in alten Zeiten viel Wild an. Auf einer geschützten Steinterrasse vielleicht 50 Meter weiter oben ließ es sich gut auf Beute warten. Und Gravuren erstellen, ob nun zur Beschwörung des Jagdglücks oder einfach, um die Wartezeit zu verkürzen.

P1080438Im Brandbergmassiv, wo wir anderntags eine kleine Wanderung unternahmen, sind noch zehntausende Felsbilder erhalten, die meisten in mehr oder weniger unzugänglichem Gelände. Auch sie werden den San zugeschrieben. Wir besuchten die berühmte White Lady, die in Wahrheit allerdings wohl einen Krieger, vielleicht auch einen Schamanen darstellt. Die „Lady“ hat keinen Busen, dafür aber Pfeil und Bogen, Kopf und Oberkörper sind mit Schmuck behängt. Ihr Alter wird auf 2000 bis 4000 Jahre geschätzt.

P1080663Die Figur ist Teil einer Jagdszene mit vielen weiteren kunst- und liebevoll ausgearbeiteten Menschen und Tieren und, obwohl nur noch schwach zu erkennen, von berührender Anmut. Einen schönen Platz hat sie obendrein: verborgen in einer Felsspalte, hinter der sich weit der Blick auf den Königstein öffnet, mit 2573 Metern über dem Meeresspiegel die höchste Erhebung des Landes.

P1080666Und während uns unser Guide auf Brandberg-Akazien, Shepherd’s Trees und allerlei Eidechsen aufmerksam macht, träume ich davon, den geröllig-felsigen Weg durch die Tsisab-Schlucht einfach immer weiter zu gehen.

P1080648Drei Tage dauert die geführte Tour auf die Höhen des Granitmassivs, das die umliegende Wüste um beinahe 2000 Meter überragt. Zwei Tage rauf und einen wieder runter. Durch unwegsames Gelände und mit viel Wasser auf dem Rücken – der Brandberg macht seinem Namen selbst im Südwinter alle Ehre – und einem guten Schlafsack für die kühlen Nächte.

P1080631Von da oben, stelle ich mir vor, muss die Weite noch weiter, noch grenzenloser sein.

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