
Vor ein paar Tagen habe ich hier schon einmal mit Goethe Lebenskunst-Quartett gespielt. Der alte Geheimrat wusste, was den Tag zu einem ganz besonderen machen kann: „ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und … einige vernünftige Worte sprechen“.
Heute, am Heiligen Abend, kann das Lied für mich nur Sinéad O‘Connors Version von „Silent Night“ sein. Ihre extrem langsame tiefe Interpretation rührt mich immer wieder zu Tränen, auch weil sie die Hoffnung nährt: Frieden ist möglich. Wenn Engel singen, dann sicher so wie diese irische Musikerin.
Das in der Sammlung „Dir zur Feier“ erschienene Gedicht von Rainer Maria Rilke erinnert mich daran, dass das Leben nicht „entweder oder“ sondern „sowohl als auch“ ist.
Das Leben ist gut und licht.
Das Leben hat goldene Gassen.
Fester wollen wirs fassen,
wir fürchten das Leben nicht.
Wir lieben Stille und Sturm,
die bauen und bilden uns beide:
Dich – kleidet die Stille wie Seide,
mich – machen die Stürme zum Turm…
Statt eines Gemäldes möchte ich heute zwei Skulpturen in den Fokus rücken: die begehbaren „Gesellschaftsspiegel“ des Berliner Künstlers Ólafur Elíasson, die seit dem Herbst den Neuen Wall am Hamburger Rathaus zieren. Mit den überdimensionalen Kaleidoskopen lädt Elíasson Passanten dazu ein, „die unbekannten Möglichkeiten in einer vertrauten Umgebung zu entdecken“. Nichts ist ja nur, was es auf den ersten Blick zu sein scheint…
Vernünftige Worte? Die schönsten flatterten mir mit der Weihnachtspost ins Haus. Es sind die Wünsche meiner Kusine D. für das neue Jahr: „Gesundheit ganz ohne Maske, Querdenken ganz ohne Idioten, sich sehen und in den Arm nehmen ganz ohne schlechtes Gewissen…“
Frohe Weihnachten!
