Schau mir in die Augen

P1150488Was sich nahe ist, nähert sich mit der Zeit einander an. Paare zum Beispiel oder Hunde und ihre Besitzer. Gelegentlich scheint das auch auf benachbarte Werbung zuzutreffen.

Die Nähe ging verträumt umher… / Sie kam nie zu den Dingen selber. / Ihr Antlitz wurde gelb und gelber, / und ihren Leib ergriff die Zehr.

Doch eines Nachts, derweil sie schlief, / da trat wer an ihr Bette hin / und sprach: »Steh auf, mein Kind, ich bin / der kategorische Komparativ!

Ich werde dich zum Näher steigern, / ja, wenn du willst, zur Näherin!« – / Die Nähe, ohne sich zu weigern, / sie nahm auch dies als Schicksal hin.

Als Näherin jedoch vergaß / sie leider völlig, was sie wollte, / und nähte Putz und hieß Frau Nolte / und hielt all Obiges für Spaß.

Christian Morgenstern: Die Nähe

Werbewirksam

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Werbung kann furchtbar dumm sein. Oder sterbenslangweilig. Aber es gibt auch richtige Eyecatcher. Wie am Eingang zu Hamburgs berüchtigter Herbertstraße. Oder besser: an der Absperrung davor. „Zutritt für Jugendliche unter 18 Jahren und Frauen verboten“ steht dort, zur Sicherheit auch gleich noch auf Englisch. Und dazwischen Zigarettenreklame: „Es gibt Spannenderes als Werbung.“ Wie wahr!

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In der nur 60 Meter kurzen Straße auf St. Pauli wird seit dem 19. Jahrhundert das älteste Gewerbe der Welt ausgeübt. Prostitutierte hocken in Schaufenstern und sprechen durch die geöffneten Fenster potenzielle Freier an. Schon 1933 wurden an beiden Enden der Herbertstraße Sichtblenden errichtet. Striptease und Prostitution waren unter den Nazis verboten. Da sich das auf St. Pauli aber nicht wirklich durchsetzen ließ, duldete man die Tätigkeiten in einer Gasse – und versuchte gleichzeitig zu verbergen, was eigentlich nicht sein durfte. Juristisch ist die Herbertstraße natürlich ein öffentlicher Weg und darf von jedermann betreten werden…