Kurz nach Sonnenaufgang schauten wir vom Jeep aus einer Meute Schabrackenschakale dabei zu, wie sie nach allen Regeln der Kunst ein Stück Wild zerlegte. Eines der hübschen rehbraunen Springböckchen, um genau zu sein. Das hüpfte nun nicht mehr wie ein Flummiball durch die Savanne. Stattdessen balgte sich ein gutes Dutzend rotbrauner Fellknäuel mit dem charakteristischen schwarz-weiß gefleckten „Sattel“ auf dem Rücken um die besten Stücke.
Ab und an tauchte schemenhaft der Kopf oder der Leib eines einzelnen Schakals aus der Staubwolke auf, die sich über dem Spektakel gebildet hatte. Ein erstaunlich lautloses Spektakel übrigens. Selbst Elefanten bewegen sich ja oft nicht wie der Elefant im Porzellanladen, sondern leiser als ein Mäuschen. Vor allem Zebras und Paviane machen da schon mal mehr Lärm.
In vollem Lauf hielt einer der Schakale auf unseren Jeep zu, seinen Teil der Beute im blutigen Maul. „Das ist die Wirbelsäule“, konstatierte Reiseleiter Sebastian auf dem Sitz neben mir mit Kennerblick. Ich glaube, das war der Beginn einer Reihe wunderbarer Gespräche gerade auch über solche Tiere, die nicht jeden Betrachter automatisch zu Begeisterungsstürmen hinreißen: Schakale zum Beispiel – oder Hyänen. Weiß doch jeder, der Walt Disney’s „Der König der Löwen“ gesehen hat, dass die so richtig fies und verschlagen sind. Nee, stimmt gar nicht! Besonders das Sozialverhalten der Tüpfelhyänen, die in größeren Clans zusammenleben, in denen die Weibchen das Sagen haben, sei richtig klasse, versichert Sebastian. Inzwischen bin ich so neugierig geworden, dass ich mir gleich nach der Heimkehr passenden Wildlife-Lesestoff bestellt habe.
Aber zurück in den Etosha Nationalpark: Kaum waren der Kampf der Schakale und der Springbock einigermaßen verdaut, wartete auch schon das nächste Schauspiel auf uns: ein Elefantenbulle, dem die Hormone aus allen Körperöffnungen tropften, allein am Wasserloch. Unruhig machte er einen Schritt nach vorn, dann einen zurück.
Eine Gruppe Springböcke verharrte in sicherer Entfernung. Oryxantilopen mit ihren Spieß-förmigen Hörnern und den ausdrucksvollen schwarzen Gesichtsmasken bildeten, stummen Wächtern gleich, einen zweiten Beobachtergürtel weiter außen. In der Ferne ein paar Gnus, ein Strauß, auch sie vollkommen bewegungslos.
Der Elefant trank, der Elefant pullerte, der Elefant schlackerte mit dem Rüssel. Ein, zwei Ausfallschritte, doch statt der ersehnten Elefantendame näherten sich gemessenen Schritts zwei männliche Junglöwen. Die Springböcke wichen geringfügig aus und behielten das Geschehen im Auge. Die Raubkatzen schienen nicht hungrig zu sein. Inzwischen hatten sie das Wasserloch auf der dem Elefanten gegenüberliegenden Seite erreicht und begannen zu trinken.
Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Elefant begann erneut zu pendeln, markierte noch einmal sein Revier – und marschierte Richtung Eindringlinge.
In Etappen scheuchte er die beiden Löwen einmal rund um das Wasserloch. Dann hatte er genug und verschwand mit langen ruhigen Schritten in der Steppe.
Die Löwen tranken noch eine Weile, dann legten sie sich in die Sonne. Jetzt waren die Springböcke und Oryxe an der Reihe. Zu wissen, wann man an der Reihe ist, kann für das Überleben sehr förderlich sein.