Und immer die Wüste

Die ewige Liebe segne dich.
Sie erfülle deine Füße mit Tanz
und deine Arme mit Kraft.
Sie erfülle dein Herz mit Zärtlichkeit
und deine Augen mit Lachen.
Sie erfülle deine Ohren mit Musik
und deine Nase mit Wohlgerüchen.
Sie erfülle deinen Mund mit Jubel
und dein Herz mit Freude.
Sie schenke dir immer neu die Gnade der Wüste.
Stille, frisches Wasser und neue Hoffnung.
Sie gebe uns allen neu die Kraft,
der Hoffnung ein Gesicht zu geben.
Es segne dich die ewige Liebe.

Irischer Segensspruch

„Die Gnade der Wüste“: Wenn du schon einmal dort warst, wirst du das Bild verstehen. Nach Schreiben ist mir in diesen Tagen nicht so sehr, aber ein paar Bilder gebe ich dir gern mit auf den Weg in das noch junge Jahr. Ich habe sie im November in Marokko, unweit der algerischen Grenze, aufgenommen. Vor einem Jahr war ich in der Gegend schon einmal Teil einer Karawane gewesen, hatte mich in die wunderbaren Dromedare verliebt, die uns tagelang geduldig durch Geröll und Sandmeere begleiteten, und die Weite und Stille genossen, die uns umgab. In den alten Beiträgen findest du die passenden Worte auch zu den neuen Bildern.

Sail on silver girl

Die Kraft und die Ruhe der Dinge, die endlos zu währen scheinen, weil sie ihren Weg zum Nichts sanft, ohne Lärm, ohne Empörung, ohne Unruhe vollenden, weil sie dem unvermeidlichen Tod ohne einen Schauer entgegengehen.

Aus: Isabelle Eberhardt „Sandmeere“

Als du gingst, wurde der Mond noch ein wenig dünner. Wie eine Wiege stand die Sichel am Firmament. Keine Bewegung, kein Geräusch störte die Nacht.

Die Stille über der Wüste ist vollkommen. Myriaden funkelnder Sterne wölben sich zu einem Zelt aus Brillanten. Schlaflos liege ich unter der Milchstraße. Allein. Eins mit allem. Sterne fallen. Für einen Moment bist auch du ganz nah. Du, die immer da war, wenn auch zuletzt immer weniger.

Wie die Sterne, die allmählich fahler werden. Bis sie für das Auge kaum noch zu erkennen sind und schließlich ganz verblassen. Ein neuer Tag ist angebrochen. Kraftvoll blauorange kündigte er sich an, noch kalt von der Nacht, verschwamm in allerlei Rosatönen sodann, bis gleißendes Licht sich über das Meer aus Dünen ergoß. So strahlend, so schön, dass ich mich erinnerte:

 Und Wiesen gibt es noch / und Bäume und / Sonnenuntergänge / und / Meer / und Sterne / und das Wort / das Lied / und Menschen / und

Rose Ausländer

… und Sonnenaufgänge über der Wüste. Vieles kann einer dem anderen abnehmen. Sterben gehört nicht dazu. Adieu, liebste M., hab Dank für alles, was du mir warst und bleiben wirst, solange ich lebe!

Alle Wetter!

p1170376Die Wüste ist ein heißer Ort, an dem es sehr kalt wird. Selbst im Winter brennt die Sonne oft vom Himmel, aber kaum ist sie untergegangen, wird es schlagartig kalt, weil die Wolken fehlen, um die vom Boden abstrahlende warme Luft zu reflektieren. Temperaturunterschiede von 20 und mehr Grad sind an der Tages-Ordnung. Es empfiehlt sich eigentlich immer, irgendeine Kopfbedeckung zu tragen: mal gegen die Sonne, mal gegen die Kälte, manchmal auch gegen Wind und Sand. Nachfolgend eine kleine modische Auswahl aus Marokko:

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Hommage an das Kamel

p1170424Ich bin Reiterin. Nie hätte ich es für nötig befunden hinzuzufügen, was ich reite. Pferde natürlich. Je temperamentvoller, desto besser. Auf Reisen hatte ich auch schon mal Esel oder Maultiere unter dem Sattel. Die sind zwar manchmal etwas störrischer, funktionieren aber im Prinzip wie Pferde. Aber so ein Kamel…

p1170325Meine ersten Begegnungen mit dem Wüstenschiff als Reittier waren literarischer und cineastischer Natur. Karl May natürlich, Lawrence von Arabien und – besonders eindrücklich – Tschingis Aitmatows großer Roman „Ein Tag länger als ein Leben“, von dem mir vor allem jene Szenen in Erinnerung geblieben sind, in denen der alte Edige auf seinem Kamelhengst Karanar durch die Steppe der früheren Sowjet-Republik Kirgisien reitet. In einer kleinen Bahnstation ist ein Arbeiter gestorben, Edige will ihm nach alter Sitte die letzte Ehre erweisen. Nicht so einfach, denn der Weg führt mitten durch militärisch abgeschirmtes Gebiet. Von einem nahe gelegenen Kosmodrom starten mehrere Raketen. Amerikaner und Russen sind geschockt, wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Die russische Erstausgabe erschien 1981, ebenso die erste Übersetzung ins Deutsche unter dem Titel „Der Tag zieht den Jahrhundertweg“. 1990 erweiterte Aitmatow den Roman um fast ein Drittel. Wie gesagt, ich erinnere mich vor allem an das Kamel in der Steppe:

p1170654„Auf seinem Karanar thronend, ritt Schneesturm-Edige voran, wies die Richtung nach Ana-Bejit. Weit ausschreitend ging unter ihm Karanar, immer mehr sich in den Rhythmus des Marsches hineinfindend. Für einen Kenner war Karanar besonders schön beim Laufen. Der Kopf des Kamels auf dem stolz gebogenen Hals schien über Wogen dahinzugleiten, blieb fast unbeweglich, während die langen, sehnigen Beine die Luft durchschnitten, auf der Erde unermüdlich Schritt um Schritt zurücklegten. Edige saß zwischen den Höckern – fest, bequem und sicher. Er war zufrieden, dass Karanar nicht angetrieben werden musste, dass er leicht und feinfühlig die Hinweise seines Herrn befolgte.“

p1170602So rund lief es durchaus nicht immer zwischen Herr und Tier: „Er (Edige) schritt zur Koppel, wo Schneesturm-Karanar, den er von der Weide hergetrieben hatte, an der Leine stand und böse aufbrüllte. Sah man davon ab, dass Karanar zweimal wöchentlich mit der Herde zu dem Brunnen am Pumpenhaus kam, um sich satt zu trinken, so lief er fast die ganze Woche Tag und Nacht frei herum. Er gehorchte nicht mehr, der Bösewicht, und jetzt verlieh er seiner Unzufriedenheit Ausdruck; wütend riss er das scharfzahnige Maul auf, wenn er von Zeit zu Zeit losschrie: Es war die alte Geschichte – an Unfreiheit muss man sich erst wieder gewöhnen.“

p1170565Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass der feurige Karanar ein zweihöckriges Kamel ist, ein sogenanntes Trampeltier. In Marokko waren wir mit Dromedaren unterwegs, den einhöckrigen Verwandten. Auch sie gebärdeten sich bisweilen ziemlich wild beim Aufzäumen, bleckten die Zähne und brüllten wie ein Rudel Löwen. Mehr als einmal fürchtete ich um Hände und Nacken von Ibrahim und Hamou, unseren beiden Chameliers. Mit seinem langen Hals hat ein Dromedar doch eine ganz andere Reichweite als ein Pferd.

p1170566Auf dem Hals ruht ein Kopf mit wunderbar langwimprigen Augen, aus denen das Tier wahlweise arrogant, beleidigt oder unbestimmt verschmust in die Welt schaut, als könne die ihm nun wirklich gar nichts Neues mehr bieten. Tatsächlich ist es ja auch so, dass das Kamel bereits alles hat, was es und mit ihm die Menschen in seinem Gefolge in den Wüstenregionen dieser Erde zum Überleben brauchen. Die langen Wimpern und die kleinen behaarten Ohren zum Beispiel verhindern das Eindringen von Sand und Staub. Die schlitzförmigen Nüstern schließen sich bei Sandsturm gleich ganz. Und mit seiner gespaltenen Oberlippe kann das Kamel selbst dornige Zweige abreißen und mit viel Speichel im Maul zermalmen, ohne sich zu verletzen. Knie, Ellenbogen und Brustbein sind schildförmig verdickt, um beim Sitzen die Gelenke zu schonen und die Bodenhitze von der Bauchhöhle abzuhalten. Tellerförmig gespreizte Füße verhindern das Einsinken im weichen Sand, dicke schwielige Sohlen schützen gegen scharfkantige Steine und heißen Boden. Ein Kamel kann in einer Viertelstunde 200 Liter Wasser saufen, die in mehreren Vormägen eingelagert werden und dort wochenlang zur Verfügung stehen. Es kann seine Körpertemperatur regulieren um nicht zu schwitzen und saugt überhaupt jedes Fitzelchen Flüssigkeit aus allem heraus. Selbst seine Kötel sind aufs Äußerste komprimiert und machen beim Fallen auf lehmigen Grund leichte Klackklack-Geräusche.

p1170418Wahrscheinlich fragt sich der eine oder die andere inzwischen, wie es denn nun ist, ein Dromedar zu reiten und wo genau man überhaupt sitzt. Eine Position zwischen den Höckern wie bei Schneesturm-Karanar gibt es schließlich nicht. Bei den Tieren unserer Karawane war der eine Höcker mit einem Gestell komplett umpolstert. Auf die Gestelle waren Schaumgummimatten gebunden, die uns im Lager auch als Sitzkissen und Schlafmatten dienten. Auf den solcherart ausstaffierten Dromedaren hockt man weit hinten, praktisch hinter dem Höcker. Mit mehr oder weniger weit gespreizten Beinen, abhängig von der Physiognomie des Tiers und davon, ob es neben dem Reiter noch weitere Lasten zu tragen hat, die gegebenfalls in großen Taschen zu beiden Seiten des Gestells befestigt werden. Weich sitzt es sich in jedem Fall. Und während das Wüstenschiff ausschreitet, fließt der Reiter in großen Wellen vor und zurück. Irgendwie meditativ fühlt sich das an, beinahe ein wenig entrückt, was auch an der Höhe liegen mag. Rückenmassage inklusive. Ob das jetzt reiten ist oder eher sich tragen lassen – schließlich führten Ibrahim und Hamou die Tiere am Strick – wer will das gewichten?

p1170362Ein Kamel ist kein Pferd, soviel ist sicher, aber ebenfalls äußerst faszinierend. Same same but different. Und ab jetzt träume ich davon, einmal auf einem Kamel im gestreckten Galopp den Wind zu überholen.

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Die Karawane zieht weiter

p1170552… und immer weiter. Über sandige Flächen und Geröll. Durch ein Trockental. Steinige Plateaus und kleinere Dünenzonen wechseln sich ab. Geschickt leiten uns die Kamelführer durch das Niemandsland. Den ganzen Tag durch tiefen Sand zu laufen wäre viel zu anstrengend für Mensch und Tier.

… und immer weiter. Mittags rasten wir irgendwo im Schatten einer Tamariske. Am späten Nachmittag schlagen wir unsere Zelte auf. Vor uns ein Meer aus Sand, dessen Kämme im weicher werdenden Licht des verlöschenden Tages zuerst in warmen Gold- und Orangetönen, später in zartem Rosa leuchten. Hinter der massiven Bergkette im Hintergrund liegt bereits die algerische Sahara. Allmählich beginnen wir zu ahnen, wie unermesslich groß diese Wüste ist.

… und immer weiter. Durch eine Pfannkuchen-flache lehmige Ebene zum ausgetrockneten Flusstal des Draa. Der Draa ist mit 1.100 Kilometern der längste Fluss Marokkos, führt aber in normalen Jahren schon ab Zagora kein Wasser mehr. An einer verlassenen Oase erkennen wir, dass die Gegend früher einmal fruchtbarer gewesen sein muss. Sieht man von ein paar Tropfen vor wenigen Wochen ab, die feine Muster in dem brüchigen Untergrund hinterlassen haben, hat es hier zuletzt vor zwei Jahren geregnet.

… und immer weiter. Durch weite Ebenen, hinter denen sich die bis zu hundert Meter hohen Dünenmassive des Erg Chegaga erheben. An ihrem Fuß werden wir unsere letzte Nacht in der Wüste verbringen.

Die Karawane zieht weiter. Und immer weiter. Aber schau selbst.

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Süchtig nach Wüste

p1170709Ich kann mich noch gut an meine erste Begegnung mit der Wüste erinnern. Von Santiago de Chile aus waren wir mit einer kleinen Maschine in den Norden des Landes geflogen. Die Landung war derart turbulent, dass ich nur noch heulte und am liebsten sofort wieder weg wollte. Ein paar Tage später heulte ich immer noch, oder besser: schon wieder, aber weg wollte ich nicht mehr. So atemberaubend waren das Tal des Todes und das Tal des Mondes, der Salzsee und die Geysire, so überirdisch schön all die Sonnenauf- und -untergänge, die die Salzkordillere der Atacama und den alles überragenden Licancabur in ein Meer von Gelb bis Violett tauchten, dass ich am liebsten für immer geblieben wäre.

p1170544Das ist nun beinahe zehn Jahre her, und mit jedem Aufenthalt in der Wüste scheint meine Sehnsucht größer zu werden. Die Sehnsucht, in diese Seelenlandschaften einzutauchen, allein auf einer Ebene zu stehen, die ringsum den Horizont berührt, vollkommene Stille zu atmen, mich angenehm unbedeutend und zugleich mit allem verbunden zu fühlen. Für ein paar Tage nur, die Wüste ist ja kein Ort, an dem man sich einrichtet. „Heimat der Seele und dem Körper Exil“, wie der libysche Autor Ibrahim al-Koni so unnachahmlich punktgenau formuliert.

p1170409In diesen Tagen war ich zum ersten Mal in al-Konis Wüste, der Sahara, der mit Abstand größten von allen. Sagenhafte neun Millionen Quadratkilometer Stein, Fels, Kies, Geröll und Sand zwischen dem Atlantik und dem Roten Meer: Allein die Vorstellung kann einen Demut lehren. Wir legten in viereinhalb Tagen siebzig, vielleicht auch achtzig Kilometer zurück – zu Fuß und auf dem Rücken von Dromedaren. Schon lange hatte ich von einer Karawane geträumt, endlich war es so weit.

p1170300In der Nähe von Mhamid, der südlichsten Oase des Draa-Tals im Süden Marokkos, trafen wir die Beduinen, die uns auf unserer Wanderung durch die Wüste begleiten sollten. Wir waren spät dran. Als die Tiere gesattelt und mit Ausrüstung und Proviant für die nächsten Tage beladen waren, war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden. Von einer Minute auf die andere wurde es klirrend kalt. Im Schein unserer Stirnlampen tappten wir durch den Sand, auf den Sichelmond zu, der wie eine Barke im Sternenmeer dümpelte. Als wir schließlich zwischen flachen Dünen unser erstes Lager errichteten, fühlte es sich beinahe an wie nach Hause zu kommen.

p1170716Alle Fotos in diesem Beitrag stammen aus der Sahara.

Am Rande der Unendlichkeit

p1170405Die Welt tötet uns durch Betriebsamkeit, die Wüste belebt uns durch Stille.

Ibrahim al-Koni: Meine Wüste

p1170509Unser Blick beruhigt sich an den einfachen Formen von Sand, Felsen und Himmel. Wir durchwandern einen Raum, dessen karge Einfachheit mit keinem der uns vertrauten Lebensräume vergleichbar ist. Nichts, was den Blick ablenkt, keine flackernden Bilder, keine hektisch wechselnden Szenarien, niemand, der etwas von uns fordert, außer wir von uns selbst. Nur das grell strahlende Blau des Himmels über uns, nur Sand oder Stein unter unseren Füßen. Nur die gleichförmige Weite, deren überwältigende Schönheit in ihrer Einfachheit begründet ist. Eine Einfachheit, deren Erhabenheit uns in staunendes Schweigen versetzt. Und unser Schweigen entspricht dem Atem der Wüste. Die Stille umfängt uns – anfangs vielleicht bedrohlich, dann aber sickert sie ein in unsere Seele und lässt sie schließlich im Gleichklang schwingen mit der Weite und Ruhe der Landschaft.

Jürgen Werner: Wüstenwandern

p1170512Vollkommenheit entsteht so offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.

Antoine de Saint-Exupéry: Wind, Sand und Sterne

p1170573Kein Mensch kann in der Wüste leben und davon unberührt bleiben. Er wird fortan, wenn vielleicht auch kaum merklich, das Zeichen der Wüste, das Zeichen des Nomaden tragen; und er wird immer, je nach Veranlagung, leises oder brennendes Heimweh nach jenem Leben verspüren. Denn dieses unerbittliche Land übt einen Zauber aus, dem ein gemäßigtes Klima nichts entgegenzusetzen hat.

Wilfred Thesinger: Die Brunnen der Wüste

p1170570Für die Grübler in den Städten ist der Drang in die Öde stets unwiderstehlich gewesen, wohl nicht, weil sie dort Gott fanden, sondern weil sie in der Einsamkeit mit größerer Klarheit die lebendige Stimme hörten, die sie in sich trugen.

T.E. Lawrence: Die sieben Säulen der Weisheit

p1170547Von Zeit zu Zeit braucht jeder Mensch ein Stück Wüste.

Sven Hedin: Durch Asiens Wüsten

p1170621und weil einem in der wüste nichts gehört, gehört einem alles.

otl aicher: gehen in der wüste

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Der Ruf der Kalahari

P1090641Es wird Zeit für ein Geständnis, denke ich. Wer hier in den vergangenen Wochen mitgelesen hat, weiß, dass meine Reise nach Namibia, die zugleich meine erste Afrika-Reise überhaupt war, nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. So viele Orte, an die ich gern noch einmal zurückkehren würde, so viele andere, die ich bei anderer Gelegenheit kennenlernen möchte. Und einer, von dem hier noch gar nicht die Rede war, an dem ich mein Herz verlor oder doch einen Teil davon. Nur wenige Tage waren wir dort und auch eher am Rand. Ein bisschen reingeschmeckt haben wir, mehr nicht. „Und es hat zoom gemacht…“ Dabei ist die Kalahari nicht mal eine richtige Wüste, auch wenn sie oft so bezeichnet wird. Mehr als eine Million Quadratkilometer zu beiden Seiten des südlichen Wendekreises, bummelig drei Mal Deutschland passt da hinein. Jetzt will ich auch noch nach Botswana… Aber vorher schreibe ich noch rasch auf, was mir im namibischen Teil dieser Dornbusch- und Trockensavanne durch den Kopf ging – ungeordnet und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

P1090585Dieses Licht haut mich um – morgens, spätnachmittags, abends, eigentlich immer.

P1090626Hinter der nächsten Düne kommt noch eine und dahinter noch eine. Und so geht es weiter und immer weiter.

P1090717Ich möchte noch viel mehr über das Leben der Buschleute in der Kalahari erfahren.

P1090652Oryxantilopen sind wunderschön – und sehr auf Abstand bedacht.

P1090490Gnus gewinnen vielleicht keine Beauty Parade, sind aber deutlich zugänglicher.

P1090527Menschen hinterlassen größere Fußabdrücke als Leoparden.

P1090665Nicht jede Löwin, die sich die Lippen leckt, ist hungrig.

P1090577Es gibt viel Weisheit in der Wüste: „No matter how educated, talented, rich or cool you believe you are, how you treat people ultimately tells all. Integrity is everything.“

P1090451Und damit endet meine kleine Feature-Reihe  aus Namibia. Herzlichen Dank für dein und Ihr Interesse! Es hat mir viel Freude gemacht, in so netter Gesellschaft noch einmal virtuell durch dieses faszinierende Land zu reisen.

Ein Meer aus Sand

P1090141Tief versinkt der Fuß im feinen roten Sand. Schritt für Schritt füllen sich die dicken Socken, die wir an Stelle von Schuhen tragen. Bald schon fühlt es sich an wie auf Schaumgummi zu laufen – nur viel bewegter. Bei jedem Schritt den Dünenkamm hinauf gerät der lose Untergrund ins Rutschen. Mit jedem Meter Höhe, den wir gewinnen, scheint zugleich der Wind zuzulegen, der dieses Kunstwerk der Natur immer wieder neu erschafft.

P1090163Hu, ist das hoch! Und der Grat so schmal, dass einem schwindelig werden kann. Zum Glück herrscht früh am Morgen noch nicht allzu viel Betrieb auf der Dune 45. Entgegenkommern auszuweichen ist jedes Mal ein bisschen wie in den Abgrund treten. Vor allem mental, denn tatsächlich bildet sich ja mit jedem Tritt zur Seite sogleich eine temporäre neue Standfläche.

P1090156Bis zu 300 Meter hoch sind viele der Sanddünen, die das Tal einschließen, Big Daddy schafft noch einige Meter mehr. Die Dune 45 ist zwar deutlich niedriger, aber hoch genug um zu erkennen, warum die Dünen rund um das Sossusvlei als Sterndünen bezeichnet werden: Von der Spitze aus verlaufen oft mehrere Kämme in verschiedene Richtungen – eine Folge der Winde, die hier ständig aus unterschiedlichen Richtungen wehen.

P1090146Die Dünen-Namib erstreckt sich auf einem bis zu 150 Kilometer breiten Streifen entlang der Küste Namibias zwischen dem Bett des Trockenflusses Kuiseb südlich von Swakopmund und dem Oranje-Fluss an der Grenze zu Südafrika. Auch die Wüste selbst wird von Trockenflüssen durchschnitten, die sich in den Sandmassen verlieren und dabei ebene Lehmpfannen bilden, die sogenannten Vleis.

P1090193Am weitesten reicht der Tsauchab-Trockenfluss in das Meer aus Sand hinein. Jahrhundertealte Kameldornbäume, die mit ihren langen Wurzeln das unter der trockenen Kruste gespeicherte Wasser erreichen können, verraten seinen Lauf. Nur selten führt der Tsauchab Wasser, noch seltener sind die Wassermassen stark genug, um das Sossusvlei zu erreichen. Sossus bedeutet in der Sprache der Nama „blinder Fluss“.

P1090176Das Dead Vlei ganz am Ende unserer Wanderung ist durch eine Düne sogar komplett vom Flussbett abgeschnitten.

P1090249Der bizarren Schönheit dieser Senke mit ihren abgestorbenen Bäumen auf hellockerfarbenem Lehmboden, eingerahmt von orangerotem Dünensand und einem strahlend blauen Himmel, tut das keinen Abbruch.

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Den Sternen so nah

P1080944Ocker. Bernstein. Honiggelb. Gold. Purpur. Rosa. Zimt. Orange. Ziegel- und Zinnoberrot… So viele Farben hat die Wüste. Und nur eine Stille.

Das warme Licht des Spätnachmittags, wenn die Hitze des Tages allmählich ihren Griff lockert. Der sanfte Wind, der über das silbrig-gelbe Savannengras streicht. Und ein Himmel in Azur.

Das Verlöschen des Tages und dieses einzigartige Licht, wenn die Sonne schon untergegangen ist, in dem sich noch einmal alle Farben der Wüste spiegeln. Langsam genug, dass sich die Bilder in die Seele einbrennen können.

Dann ist es dunkel. Aber doch nie ganz. Weit spannt der gigantische Sternenhimmel der Südhalbkugel sein Dach über die Dünen. Das Kreuz des Südens. Zum Greifen nah.

Eine Weile noch wispern zwei in ihren Schlafrollen unter dem Kameldornbaum. Endlich ist nichts mehr als Stille zu hören. Eine Stille, die ganz erfüllt. Stille.

„Es gibt ein Vergessen alles Daseins, ein Verstummen unseres Wesens, wo uns ist, als hätten wir alles gefunden.“ (Friedrich Hölderlin in: Hyperion oder der Eremit in Griechenland)

Der Zauber der frühen Stunde. „Morning has broken like the first morning…” Kein Amsel-Singen wie am ersten Tag, aber das riesige Gemeinschaftsnest der Siedelweber wird sicher auch an diesem Tag noch ein Stück größer werden.

Spuren im Sand. Von einem Gecko vielleicht. Oder dem klopfenden Schwarzkäfer Tok-Tokkie. Ein Kreis, den ein vom Wind bewegter Grashalm in den Untergrund spurte. Riesenameisen auf ihrem Weg zum körnigen Grat. „Mine is the sunlight, mine is the morning…“

Impressionen aus der Namib-Wüste, irgendwo zwischen Sesriem und Solitaire am Rande der Naukluft-Berge.

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