Ich kann mich noch gut an meine erste Begegnung mit der Wüste erinnern. Von Santiago de Chile aus waren wir mit einer kleinen Maschine in den Norden des Landes geflogen. Die Landung war derart turbulent, dass ich nur noch heulte und am liebsten sofort wieder weg wollte. Ein paar Tage später heulte ich immer noch, oder besser: schon wieder, aber weg wollte ich nicht mehr. So atemberaubend waren das Tal des Todes und das Tal des Mondes, der Salzsee und die Geysire, so überirdisch schön all die Sonnenauf- und -untergänge, die die Salzkordillere der Atacama und den alles überragenden Licancabur in ein Meer von Gelb bis Violett tauchten, dass ich am liebsten für immer geblieben wäre.
Das ist nun beinahe zehn Jahre her, und mit jedem Aufenthalt in der Wüste scheint meine Sehnsucht größer zu werden. Die Sehnsucht, in diese Seelenlandschaften einzutauchen, allein auf einer Ebene zu stehen, die ringsum den Horizont berührt, vollkommene Stille zu atmen, mich angenehm unbedeutend und zugleich mit allem verbunden zu fühlen. Für ein paar Tage nur, die Wüste ist ja kein Ort, an dem man sich einrichtet. „Heimat der Seele und dem Körper Exil“, wie der libysche Autor Ibrahim al-Koni so unnachahmlich punktgenau formuliert.
In diesen Tagen war ich zum ersten Mal in al-Konis Wüste, der Sahara, der mit Abstand größten von allen. Sagenhafte neun Millionen Quadratkilometer Stein, Fels, Kies, Geröll und Sand zwischen dem Atlantik und dem Roten Meer: Allein die Vorstellung kann einen Demut lehren. Wir legten in viereinhalb Tagen siebzig, vielleicht auch achtzig Kilometer zurück – zu Fuß und auf dem Rücken von Dromedaren. Schon lange hatte ich von einer Karawane geträumt, endlich war es so weit.
In der Nähe von Mhamid, der südlichsten Oase des Draa-Tals im Süden Marokkos, trafen wir die Beduinen, die uns auf unserer Wanderung durch die Wüste begleiten sollten. Wir waren spät dran. Als die Tiere gesattelt und mit Ausrüstung und Proviant für die nächsten Tage beladen waren, war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden. Von einer Minute auf die andere wurde es klirrend kalt. Im Schein unserer Stirnlampen tappten wir durch den Sand, auf den Sichelmond zu, der wie eine Barke im Sternenmeer dümpelte. Als wir schließlich zwischen flachen Dünen unser erstes Lager errichteten, fühlte es sich beinahe an wie nach Hause zu kommen.
Deine Berichte mit den zauberhaften Fotos machen wirklich süchtig nach Wüste, Maren. Die Aufnahmen sind große klasse!
Wie mich deine Zustimmung freut, liebe Dina – danke!
Das finde ich auch! So schön und eindrücklich. Und auch das Zitat des libyschen Autors gefällt mir sehr gut.
Danke dir, Holger. Und der Autor ist wirklich beeindruckend: Manch Aphorismus von ihm kann halbe philosophische Abhandlungen ersetzen.
Wie konnte ich jemals denken, Wüsten seien überflüssig, verlorenes Land…
Hast du „Wind Sand und Sterne von Antoine de Saint-Exupéry gelesen?
Liebe Grüße
…ja, hast du. Habe deinen letzten Beitrag nochmal gelesen und das Zitat entdeckt…
Von wegen überflüssig! Bei den Beduinen heißt es: „Als Allah die Welt erschaffen hatte, schaute er sie sich an und alles, was ihn vom Wesentlichen ablenkte, nahm er heraus. So entstand die Wüste.“ 🙂
Als Verehrerin der Wälder sehe ich das etwas anders… und auch die Fische würden widersprechen 😉 Aber durch deine Beiträge verstehe ich, was gemeint ist 🙂
Und ich verstehe (und teile) wiederum deine Liebe zu Bäumen und Wasser, ganz zu schweigen von den Bergen…
Ich kann deine Sucht nacht Wuesten total verstehen und ich wuensche dir noch viele derartige Reisen in die totale Stille!😀Cari saluti Martina
Vielen Dank für deine guten Wünsche, Martina, und auch dir ein erlebnisreiches neues Jahr!
Liebe Maren, deine unglaublich schönen Bilder atmen genau das aus: Stille, Weite und ja, auch Demut- ganz wunderbar!
herzliche Abendgrüsse
Ulli
Das lese ich gern, liebe Ulli. Schön, wenn das überfließende Herz ein Gegenüber findet!
… vollkommene Stille zu atmen, mich angenehm unbedeutend und zugleich mit allem verbunden zu fühlen… Ja, dieses erhebende Gefühl kenne ich, wenn auch nicht aus der Wüste …
Das freut mich. Das freut mich sehr.
wow, ein Traum, den ich vielleicht auch mal in die Tat umsetze. Danke für die Erinnerung daran 🙂
Wer weiß? 🙂
Es gibt so Träume, die so lange immer wieder auftauchen, bis sie endlich realisiert werden. Dein Beitrag zählt auf jeden Fall dazu 🙂
Wie schön!
Wenn ich mich in deine Bilder versenke, kann ich es ein bisschen spüren … diese Stille …
Manchmal ist so ein feines Sirren zu hören, manchmal auch nur der eigene Pulsschlag – vorausgesetzt, man ist weit genug von der Gruppe entfernt. Schön, dass du dir Zeit zum Versenken genommen hast, Christiane.
Nur wegen dir sage ich manchmal – nach einem Wunsch oder Ziel gefragt – dass ich mal in eine Wüste möchte. Das war mir vorher noch ganz fern.
Wenn das kein feines Kompliment ist! Solltest du jemals gehen, lass mich doch bitte wissen, wie es dir gefallen hat, Marga.
Wunderbare Bilder!
Danke!
Das glaube ich auch: Dass einen der Anblick der Sahara Demut lehrt.
Ich freue mich, dass Du Dir Deinen Karawanen-Wunsch erfüllen konntest – und nähre meine Wüstensehnsucht ein Stückchen mit deinen traumhaften Bildern. Danke dafür!
Liebe Birgit, ich weiß, du reist oftmals lieber lesend, aber sollte die Sehnsucht eines Tages allzu groß werden: Ich könnte ein paar geeignete Veranstalter für die Reise empfehlen… 🙂
Auf das Angebot komme ich gerne zurück 🙂 Derweil beglücke ich mich mit Deinen Beiträgen.
Mit Freuden zu Diensten – so oder so. Und: Danke.
hui, das sind grandiose fotos, liebe maren, und sehr ansprechend, was du schreibst – und doch, ich weiß gar nicht, ob ich solche reise wagen würde, wenn sich je die möglichkeit auftäte. – herzliche grüße, pega
Ich dank dir schön für dein Mitgehen, liebe Pega. Du wirst wissen, welche Art Reisen für dich die richtigen sind. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ich mir im Vorfeld gelegentlich Gedanken und Sorgen mache, die sich an Ort und Stelle als ganz unnötig erweisen. Herzliche Grüße in den Süden!
Deine wunderbaren Fotos zeigen deine Liebe, liebe Maren. Da packt auch mich schwere Sehnsucht nach der Wüste. Und doch ist die Wüste nur so schön, weil man weiß, dass es Oasen gibt und dass sie irgendwo aufhört. Wenn in einer Kuhle ein erster Baum erscheint, wenn ein Käfer in einem Loch verschwindet, wenn sich eine Ranke mit bekannten Früchten über den Sand breitet, ist es wie eine Offenbarung und wie eine Versprechen auf Heimkehr ins gelobte Land. Es gibt doch Leben.
Weißt du, dass du sprichst wie Antoine de Saint-Exupérys kleiner Prinz, liebe Gerda? „Es macht die Wüste schön“, sagte der, „dass sie irgendwo einen Brunnen birgt.“ Und wenn ich an die Spuren des kleinen schwarzen Käfers denke, der mit seinem Hintern die morgendlichen Nebeltropfen über der Namib auffängt (ich meine die Spuren in der Sahara wiedererkannt zu haben), scheint mir „Offenbarung“ ein sehr angemessenes Wort zu sein. Wer weiß, vielleicht ist die Wüste auch deshalb nichts für die Dauer, weil sie so wenig Ablenkung bietet, dass alles so groß und intensiv erscheint, dass man es gar nicht 365 Tage im Jahr aushalten könnte.
P.S. Wenn die gezeigten Fotos meine Liebe transportieren, freut mich das sehr.
Was fuer eine Weite und Schoenheit. Und zugleich ein so lebensfeindlicher Ort. Wenn ich nach Kenia fliege, denke ich immer, was fuer eine riesige Ausdehnung die Wueste hat. Unser winziges Deutschland, eine Ameise auf einem Bergruecken…
Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, die Lebensfeindlichkeit der Wüste sei Bedingung für ihre Schönheit (genauer: für unser Erleben ihrer Schönheit), aber sie tut ihnen gewiss auch keinen Abbruch. Herzliche Grüße nach Kenia!
…ja, das koennte man denken, nicht umsonst ist eine menschenleere Landschaft oft die schoenere, unverletztere, aber andererseits waere es dann doch zu einsam, ganz allein dort sein und bleiben zu sollen…
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